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Sonntag, 19.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

MEINUNG

Kommentar: Augsburgs Stadtregierung leidet an einer inneren Schwäche

In Augsburg heißt der Ballermann Maximilianstraße und der dort tobende Partymob wird von der Stadtregierung hingenommen, wie eine unheilbar chronische Krankheit. Das könnte in Zeiten von Corona verheerende Folgen haben. – In Sachen Klimacamp wird, um den Koalitionsfrieden zu wahren, eine merkwürdige Appeasement-Politik gemacht. Was man davon halten soll? Nichts!

Kommentar von Siegfried Zagler

© DAZ

Das Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts in Sachen Klimacamp ist nicht einfach zu verstehen. Wenn es von nun an so sein kann, dass eine Demonstration einen Anfang hat, aber kein Ende haben haben muss, dann haben sich die Klimacamp-Aktivisten für ihre Endlos-Demo ein gutes Plätzchen ausgesucht. Bürgermeister Bernd Kränzle kann seine Nobelkarosse nicht mehr neben dem Rathaus parken und mit ihren Aktionen erreichen die Aktivisten täglich Tausende Passanten, ohne sich ihnen in den Weg stellen zu müssen. Die Stadt hat in ihrer Begründung zur (aus ihrer Rechtsauffassung heraus) notwendigen Auflösung des Camps u.a. angeführt, dass sie keine Präzedenz schaffen will – und sich auch dahingehend geäußert, dass man befürchte, dass rechte Gruppierungen ebenfalls ihre Zelte am Rathaus aufschlagen könnten.

Das ist politisch gedacht – und eine Stadt wie Augsburg soll – ja muss – politisch denken. Doch damit kann man Verwaltungsgerichte, die in diesen Fällen „kleine Verfassungsgerichte“ darstellen, nicht beeindrucken. Ist also zu befürchten, dass in Zukunft Gruppierungen mit rechter Gesinnung und Nazi-Emblematik im Zentrum der Stadt dauerhaft campieren? Diese Befürchtung hat die Stadt in den Raum gestellt. Konkret hat sich so immerhin Ordnungsreferent Frank Pintsch vor dem Urteil des Augsburger Verwaltungsgerichts geäußert. Ließe die Stadt das Urteil einfach stehen und das Klimacamp endlos bestehen, dann entstünde möglicherweise eine Präzedenz und ein politisches Reizklima, das dauerhaft nicht zur Meinungsbildung beitragen würde, sondern nur nervte. Um diese Möglichkeit zu vermeiden, sollte die Stadtregierung in die nächste Instanz gehen. Würde sie es nicht tun, würde sie sich bezüglich ihrer Beurteilungsfähigkeit selbst abwerten. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein Augsburger Urteil kassiert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass man davon ausgehen muss, dass die Augsburger Stadtregierung keine Beschwerde gegen das Urteil einlegen wird. Zu dieser Prognose tragen zwei Überlegungen bei: Erstens könnte die städtische Befürchtung der Präzedenz eine Schimäre sein, also ein selbstgestricktes Scheinargument, das deshalb „luftig“ sein könnte, weil es in dieser Angelegenheit keine Präzendez geben könnte, sondern eben „nur“ Einzelfälle und das Grundgesetz sowie das dafür zuständige Verfassungsgericht in Karlsruhe.

Zweitens darf man davon ausgehen, dass sich die Stadtregierung mit dem Augsburger Urteil zufrieden gibt, weil die Grünen zur Stadtregierung gehören – und man offenbar auch seitens der CSU dazu neigt, schwer lösbare Koalitionskonflikte an die Verwaltungsgerichte weiter zu leiten. Der ordnungspolitische Umgang der CSU/Grünen-Stadtregierung mit diesem Problem zeigt die innere Schwäche einer Zweckehe auf, die nur zum gemeinsamen Fortkommen geschlossen wurde.

Die erste Grünen-Generation (Umweltreferent Erben gehört dazu) haben zum zivilen Ungehorsam aufgerufen, haben sich mit Blockaden gegen Atommüll-Transporte solidarisiert und sich mit aller Kraft, also legalen wie illegalen Mitteln, gegen die Kernenergie gestemmt, und sich dabei in Deutschland mit einem langen Marsch durchgesetzt.

Die Grüne Nachfolge-Generation, die nun auf dem Augsburger Fischmarkt gegen das „Kohleeinstiegsgesetz“ demonstriert, wie die Aktivisten das vom Bundestag kürzlich verabschiedete Kohleausstiegsgesetz nennen, die jungen Grünen also, setzen das Werk ihrer Elterngeneration mit einer inhärenten Logik fort: „Kohleenergie kann nicht die Antwort auf die Verbannung der Kernenergie lauten, beides ist Teufelswerk. Kohleenergie verändert das Klima der Erde und gefährdet somit die Zukunft der Menschheit.“

Wer antritt, um die Welt zu retten, darf sich nicht um kleinkarierte Annahmen einer Präzedenz scheren. Und wenn man sich, wie die Grünen, innerhalb der absoluten Logik der Zukunftsbewahrung bewegt, macht man sich besonders unglaubwürdig, wenn man einknickt, wenn Bürgermeister mit dem Grundgesetz wedeln. Genau das haben aber Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne!) gemacht. Und dabei auf merkwürdige Weise auch noch „falsch gewedelt“, folgt man der Argumentation des Augsburger Verwaltungsgerichts, dessen Urteil von der Grünen Bundespolitikerin Claudia Roth, als ein „gutes Urteil“ bezeichnet wurde.

Die Frage, die sich die Grüne Bürgermeisterin Martina Wild nun auf lokaler Ebene gefallen lassen muss, ist die Frage nach der Glaubwürdigkeit: Wie kann man sich mit einem Riesenschub von der FFF-Bewegung mit verdoppelter Mandatszahl in den Stadtrat und in Amt und Würden wählen lassen, um zehn Wochen später mit kleinteiliger Ordnungspolitik den ureigenen Unterstützern in den Rücken zu fallen? Wild, Erben und Co. würden sich nachhaltig bei der Basis und ihrer Wählerschaft diskreditieren, würden sie sich weiterhin so koalitionsdevot und duckmäuserisch verhalten, wie das bisher beim Klimacamp der Fall war. Der städtische Gang vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wäre für die Augsburger Grünen fatal, weil dann jeder Grüne Wähler erkennen könnte, dass ihre politischen Vertreter bereit sind, für ein bisschen Macht und Selbstversorgung ihre Seele, ihre DNA zu verkaufen. Diese Andeutung des Verrats liegt in der Luft, denn Eva Weber, Frank Pintsch und die CSU haben ein Schattenboxen gegen die Grünen verloren, ohne dass diese in den Ring gestiegen wären. Die Entscheidung einem Verwaltungsgericht zu überlassen, sei auch Demokratie, so Ordnungsreferent Pintsch. Das mag stimmen, doch es ist schwache Politik.

Wesentlich dramatischer allerdings ist das Versagen der lokalen Politik in Sachen Ballermann Maximilianstraße. Wenn die Nächte warm sind, versammelt sich dort zuverlässig ein Partymob, der von der Max-Gastronomie versorgt und von der Augsburger Politik geduldet wurde und wird. Dass die untragbaren Party-Exzesse auf der Maximilianstraße während der noch längst nicht überwundenen Coranapandemie seitens der Stadtregierung mit netten Vorschlägen und Mahnungen zur Sauberkeit oder Nachtfahrverboten „bekämpft“ werden, ist ein Hohn für alle, die sich in den vergangenen vier Monaten diszipliniert an die Infektionsschutzverordnungen des Freistaats gehalten haben. Ein Superspreader am Herkulesbrunnen könnte ausreichen, um Augsburg zu einem Ischgl 2.0 zu machen. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Und die Möglichkeit von Krankheit, Tod und wirtschaftlichen Niedergang zuzulassen ist fahrlässig und ein Skandal erster Güte.

Die zuständige Behörde auf Mallorca hat nach den ersten Party-Verfehlungen gegen die Covid-19-Schutzmaßnahmen alle betroffenen Lokale am Ballermann für zwei Monate schließen lassen. Cafes und Restaurants dürfen weiterhin geöffnet bleiben. Bravo! Nur mit einer konsequenten Ordnungspolitik lässt sich der Partymob davon abhalten, sich in seiner Asozialität in der Öffentlichkeit selbst zu feiern. Klaus Kirchner, Walter Böhm, Eva Weber, Volker Ullrich und Dirk Wurm haben in Sachen Maximilianstraße als Ordnungsreferenten versagt. Nun muss sich Frank Pintsch daran messen lassen, ob er die Maxstraße in den Griff bekommt. Seine 100-Tage-Frist ist bald abgelaufen. Sollte er den Hotspot Maximilianstraße doch noch entschärfen, bleibt ihm ein Ehrenplatz in der Versagerreihe erspart.