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Samstag, 11.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Leichtsinnige Semmelei

Zum Antrag der Grünen die Ost-West-Achse 2009 für den Radverkehr fertigzustellen

Während der Regenbogenära ist das Augsburger Radwegenetz verbessert und ausgebaut worden, aber es hat Jahre gedauert. Die Route Müllerstraße-Unterer Graben-Leonhardsberg zum Beispiel ist beidseitig noch nicht so lange zu beradeln. Auf der Höhe des Alten Stadtbades führt der Streifen auf den Fußweg und dann wurde der von der Regenbogenregierung „geschätzte Radler“ den „Magesberg“ hochgeführt. Bis zur Fertigstellung der „Magesberg-Fahrradlinie“ verging eine ganze Legislaturperiode. Oben am Berg endet der Radweg. Wer direkt geradeaus über die Karlstraße Richtung Theater radelt, riskiert sein Leben oder Pöbeleien von Fußgängern, falls man klug genug sein sollte, ordnungswidrig den Fußweg zu benutzen. Man müsste korrekterweise schieben oder einen Bogen über das Holperpflaster vom Obstmarkt über den Hafnerberg und Kasernenstraße fahren. Dann hätte man aber gleich den Schmiedberg hochradeln können, wo es allerdings keinen gesicherten Radweg gibt und man im schlimmsten Fall vom Gebimmel eines rasenden Combinos und dem Autoverkehr nach oben gehetzt wird. Diese „Umgehung“ hat ebenfalls mächtige Tücken und spätestens Ende Hafnerberg wird es wieder eng und gefährlich.

Die Situation ist für Radler unerträglich, und die Kritik der Grünen an der Streichung dieser Verbindung ist mehr als gerechtfertigt. Dennoch müssen sich gerade die Grünen die Frage gefallen lassen, warum sie es in sechs Jahren Regierungsbeteiligung nicht geschafft haben, das gefährlichste und somit wichtigste Verbindungsstück der Ost-West-Achse zwischen Karolinenstraße und Theater in der Innenstadt fertigzustellen. Der Radler wird von der Stadt quasi offiziell und direkt via städtischer Radwegführung über den Leonhardsberg in ein lebensbedrohliches Szenario geschickt. Das ist fahrlässige Verkehrspolitik, an der bestenfalls jugendliche Adrenalinjunkies Gefallen finden. Die Grünen machen keinen Hehl daraus, dass es ihnen als Juniorpartner in der Regenbogenära nicht gelungen ist, ihre Radwegpläne in der anvisierten Eile zu realisieren. Für 2007, 2008 und 2009 wurden vom Regenbogen 1,6 Millionen Euro für die Radler in ein Investitionsprogramm aufgenommen, man könnte auch sagen, in Aussicht gestellt. Ein großer Teil davon wurde nach Aussagen von Dieter Ferdinand, Reiner Erben und Stefan Kiefer (SPD) für den Bau der Ost-West-Achse verbraucht. Der Rest war für das letzte Verbindungsstück, also auch für die Karlstraße vorgesehen. Dann kam der Regierungswechsel.

Seit knapp acht Monaten ist nun die neue Regierung im Amt, und wenn man genau hinschaut, fällt auf, dass sie 1,1 Millionen Euro für Radwege in den Haushalt 2009 gestellt hat. Aber die Entscheidung von Gribl, die Fertigstellung des letzten Teilstücks der Radwegachse 2009 zu streichen, ist nicht nur ein fragwürdiges Prioritätendelikt, sondern eine Fortsetzung der Langsamkeit des Regenbogens in dieser Angelegenheit.

Zuerst die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer verbessern, dann Wahlversprechen Nr. 34 realisieren, wäre die richtige Reihenfolge gewesen. So aber muss man von einer schwer verständlichen Semmelei sprechen.

Kurt Gribl hat diese Strecke selbst mit dem Rad abgefahren und in augsburg.tv betont, dass kein Zweifel bestehe, dass hier etwas geschehen müsse – aber nicht bevor feststehe, was der aktuell laufende städtebauliche Wettbewerb für diesen Bereich vorsehe. Diese Argumentation trägt bedauerlicherweise fatalistische Züge, die der OB mit Planungspragmatik rechtfertigt.

Was nämlich, wenn nur ein Radfahrer in dem kritischen Zeitfenster, das nun der OB – zumindest in der Öffentlichkeit – zu verantworten hätte, schwer verunglücken würde? Für vernünftige Radfahrer ist die Karlstraße die sicherste Straße der Stadt, und zwar deshalb, weil sie vernünftig genug sind, sie nicht zu befahren. Doch die Intelligenz der Verkehrsteilnehmer, die Gefahr zu meiden, darf man nicht überstrapazieren. Die Vernunft der Bürger ist keine politische Kategorie. Darauf darf man nicht bauen.

Hier liegen ernstzunehmende – von der Stadt zusätzlich verschärfte – Sicherheitsrisiken vor. Schnelles Handeln sollte in diesem Fall Priorität haben, auch wenn die Karlstraße/Grottenau vielleicht in zwei bis fünf Jahren ein anderes Gesicht bekommen könnte. Es ist zu wünschen, dass sich die neue Stadtregierung von dem Antrag der Grünen an der Nase fassen lässt. Zumindest sollte man dafür Mittel 2009 bereitstellen, um schnellstmöglich die Situation entschärfen zu können.

Siegfried Zagler