Kommentar: Vom Hobbykellner zum Kulturreferenten
Bert Brecht, der berühmteste Sohn Augsburgs, war der Stadt lange Zeit nicht mehr wert als ein Blumengebinde an seinem Geburtshaus. Brecht war in den Zeiten des Kalten Krieges etwas für Marxisten, langhaarige Weltverbesserer, universitäre Bildungsgärtlein oder kunstbeflissene Theaterfreaks. Diese Zeiten sind vorbei, und gerade in den letzten Jahren hat sich durch Kurt Idrizovic und seine kleinen Brechtfeste am Gänsbühl vieles zum Besseren verändert. Ostermaiers abc-Festival hat ebenfalls mit viel Verve und Prominenz das Verhältnis der Augsburger Öffentlichkeit zu Brecht auf die Probe gestellt. Augsburg befindet sich seit geraumer Zeit auf spannender Entdeckungsreise in Sachen Brecht und in eigener Sache. Falls man nämlich einen eigenen lokalen Bezugspunkt und Spannungsbogen zu Brecht kreieren könnte, würde ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt entstehen: Großstadtflirren.
Albert Ostermaiers abc-Festival schien auf dem besten Weg, den „verstaubten“ Dichter als Anreger und Anstifter neu zu entdecken. Brechts Image wurde von den abc-Machern mit dem Max-Frisch-Zitat der „durchschlagenden Wirkungslosigkeit eines Klassikers“ als verstaubt und verschult festgelegt.
Weshalb man den guten Herrn Brecht mit „provokativen Reden“ viel Hip, Slams und Hop ins rechte Licht der Moderne rücken wollte. Fußball, Jugend- und Schlagergedöns: alles konnte man irgendwie mit Brecht verbinden und war nützlich, wenn man damit nur sein verstaubtes Image aufpolieren konnte.
Dr. Joachim Lang sagt es nicht direkt, aber seine Brechtbetrachtung unterscheidet sich von der Ostermaiers in einem entscheidenden Punkt: Nicht Brechts Werk sei verstaubt gewesen, sondern seine Rezeption, die sich seit den 50ern im Kreis gedreht habe. Anders formuliert, könnte man auch sagen, dass Ostermaier Staub wischen wollte, wo keiner war. Die neue Brechtforschung hat nun den Boulevard bei Brecht herausgearbeitet, das Komödiantische und das Universelle seien die Stärken seiner Dichtung.
Brecht ist neu zu verstehen! Falls die Macher von „Brecht 111“ diese These überzeugend und gehaltvoll präsentieren und umsetzen sollten, hätte der aktuell von der AZ genasführte Peter „Hobbykellner“ Grab seine Feuerprobe als Kulturreferent mit Glanz bestanden, was ihm und der Stadt zu wünschen wäre.
Siegfried Zagler