Kulturkampf: Grab stellt sich vor Köster
Die von der DAZ angemahnte Debatte um die Notwendigkeit eines konservativen Stadttheaters ist über Nacht explodiert. Der Streit trägt unversöhnliche Züge. Die Protagonisten sind ein Journalist und zwei Säulenheilige der jüngeren Augsburger Geschichte.
Von Siegfried Zagler
I Der Artikel
In der insgesamt bemerkenswerten Pfingstausgabe der Augsburger Allgemeinen vom 18. Mai hat der Kulturjournalist Richard Mayr in einem veritablen Meinungsartikel die Theaterkunst verteidigt. Mayr sieht die künstlerische Qualität der Theaterkunst gefährdet, würde sich das Stadttheater wie vom Leiter des Augsburger „Büros für Frieden und Interkultur“ Timo Köster gefordert, interkulturell öffnen. Die Kunst sei kein gesellschaftliches Therapeutikum, das man nach den Heilungswünschen der Chefarchitekten einer interkulturellen Öffnung verordnen könne. Damit würde man die Kunst überschätzen, so Mayr, der den Sinn der deutschen Stadt- und Staatstheater darin sieht, für künstlerische Qualität zu bürgen. „Sobald es in der Kunst darum gehen sollte, “gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu gestalten” oder “einen Austausch der Interessen zu moderieren”, verliert sie ihr Ziel aus den Augen und droht ins Beliebige abzustürzen“, so Mayr, der seinen Generalangriff auf die Hohepriester der interkulturellen Rhetorik mit einer grandiosen wie mutigen Kanonade zündete. Ein vollkommen unerwarteter Angriff, den man der Augsburger Allgemeinen so nicht zugetraut hätte.
II Die Replik
Immerhin hatte Mayr die Stirn, sich mit einer lebenden Regional-Ikone der Diversity-Grammatik anzulegen: Hansi Ruile, der munter mit schwerem Geschütz dagegen hielt. Mayr negiere in „martialer und perspektivloser Polemik und elitär ausgrenzender Weise“ die notwendige Transformation und Öffnung der Kultureinrichtungen. Ruile schob dabei einen weiteren Text ins Schlachtfeld: den nationalen Integrationsplan der Bundesregierung. „Nur die Neuausrichtung der Kultureinrichtungen vor der Tatsache des dynamischen Wandels unserer Gesellschaft und der Welt wird deren zukünftigen Stellenwert und deren dringend notwendigen Erhalt legitimieren“, so Ruile, der Feuerschutz vom Augsburger Friedenspreisträger Helmut Hartmann bekam. „Den Vorwurf als Brunnenvergifter zu wirken, der als Populist und Uralt-Konservativer schnell Zustimmung beim Publikum bekommt, den muss sich Richard Mayr von mir machen lassen. Dessen kaum versteckte „Generalverurteilung als nicht kulturfähig“ müssten sich alle Menschen mit Migrationshintergrund in Augsburg gefallen lassen.“ So zu lesen in der gestrigen Ausgabe der Augsburger Allgemeinen.
III Das Fazit
Ruile und Hartmann unterstellen Mayr „kaum versteckt“ eine faschistoide Denkungsart. Diese Form der Debattenführung ist unter aller Kanone. Zumal weder Ruile noch Hartmann „skin in the game“ einbringen. Und somit, durch ihr Lebenswerk und ihre von der Stadt erhaltene Patina geschützt, schwer zu nehmen sind. Hansi Ruile und Helmut Hartmann sollten in der Lage sein, konkret darzustellen, dass in einem „transformierten Stadttheater“ die klassische Oper, wie wir sie heute mit „unserem“ Philharmonischen Orchester pflegen, keinen Sinn ergibt. „Der notwendige Kompetenztransfer in das Theater hinein, würde wohl zwangsläufig zu dieser Einsicht führen“, wäre eine mögliche (und typische) Ruile-Antwort auf die schlichte Frage, ob man in einem interkulturell geöffneten Theater zum Beispiel auf die Oper verzichten könne. Wer das Augsburger Stadttheater so weiter führen möchte, wie es ist, kann und darf durchaus auf die Idee kommen, dass eine Neuausrichtung im interkulturellen Sinne zu einem „beliebigen Tralala“, zu einem Qualitätsverlust führen könnte. Städtische Kultureinrichtungen sind in aller Regel der konservative Part in der progressiv-politischen Fortschreibung der Zivilgesellschaften. Und dennoch geht von ihnen eine vitale und auch innovative Kraft aus. Ein starkes Theater legitimiert sich durch seine Kunst von innen heraus und hat den anachronistischen Auftrag, sich gegen Trends und sich gegen die Angriffe der beredten Trendsetter zu stellen. Richard Mayr ist als Theaterkritiker ein Teil der Theatermaschine. Sein entschiedenes Eintreten dafür, das Theater vor den „Transformationskräften“ der Kulturpessimisten zu schützen, verdient Respekt. Sein Text war für den Schreiber dieser Zeilen eine Zumutung im allerbesten Sinn.
IV Der Kulturreferent
Peter Grab hat sich gestern in seiner Eigenschaft als Kulturreferent via städtischer Pressemitteilung vor „seinen“ Verwaltungsangestellten Timo Köster gestellt. Grab hält eine Reduzierung auf die Person von Timo Köster im AZ-Artikel „Generalangriff“ vom 18. Mai 2013 für nicht gerechtfertigt: „Der Kulturausschuss der Stadt Augsburg hat ein zu erarbeitendes Handlungskonzept zur interkulturellen Öffnung der Augsburger Kultureinrichtungen beschlossen. Damit hat Timo Köster nicht nur im Auftrag gehandelt, sondern das Konzept auch in mehreren Gremien erarbeitet. (…) Als Kulturreferent habe ich das Handlungskonzept befürwortet und dem Kulturausschuss vorgelegt, der es einstimmig verabschiedet hat“, so Grab, der Ende der sechziger Jahre mit acht Jahren als Kind tschechischer Migranten nach Augsburg einwanderte und im Prinzip ein gutes Beispiel dafür abgibt, dass man sowohl mit einem konservativen Theater am Ort als auch mit Defiziten bezüglich der deutschen Grammatik in Augsburg als Kulturpolitiker Karriere machen kann: „Für Kritik am Handlungskonzept gibt es zwei korrekte Adressaten: entweder ich als Kulturreferent oder der Kulturausschuss.“