Nachtrag zum Brechtfestival: Dokumentation und Forschung in der Brechtstadt
Wissenschaftliche Vortragsreihe und Ausstellung als Kontrapunkt zur Kunst
Von Halrun Reinholz
Das diesjährige Brechtfestival konnte mit vielen künstlerischen Highlights aufwarten, doch gehört es auch zum „Programm“ des Festivalleiters Joachim Lang, die Brechtforschung mit einzubinden. Kein Problem in einer Stadt, die schon 1963 eine Brecht-Sammelstelle an der Staats- und Stadtbibliothek eingerichtet hat, wo seither „konsequent und möglichst lückenlos“ Material zum Leben und Wirken des Augsburger Dichters zusammengetragen wird. Seit 1991 bezahlt die Stadt auch eine eigene Brecht-Forschungsstelle, die aufgrund der verdienstvollen Arbeit von Dr. Jürgen Hillesheim schon einige bis dahin unbekannte Dinge über den Dichter wie auch über die Privatperson Brecht ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hat. Und die Sammlung ist auch stetig gewachsen, zuletzt konnte im Jahr 2009 ein umfangreiches Konvolut von der Brecht-Tochter Barbara Schall erworben werden.
Parade der Augsburger Brechtforscher
Gab es beim Brechtfestival 2013 noch einen Kongress in Zusammenarbeit mit der Universität, hat man sich diesmal für eine Vortragsreihe entschieden – sicherlich auch, um ein breiteres Publikum zu bedienen. Die Namen der sechs Vortragenden sind der Augsburger „Brechtgemeinde“ geläufig. Es war auch erklärtes Ziel, den „Forschern der Brechtstadt Augsburg“ ein Forum zu bieten, um ihre neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzustellen. Eingeleitet wurde die Reihe jedoch von dem einzigen Brecht-Forscher, der nicht in Augsburg wirkt, nämlich von Jan Knopf, dem langjährigen wissenschaftlichen Berater Joachim Langs aus Karlsruhe. Insofern erstaunt sein Bekanntheitsgrad in Augsburg nicht, das Publikum brachte den kleinen Raum im Brechthaus auch deutlich an die Grenzen seiner Kapazität. Es war dann auch weniger ein wissenschaftlicher Vortrag, sondern eine lässig-frei gesprochene Lehrstunde, in der Jan Knopf seine etwas eigenwillige Sichtweise auf den Brecht der 20er Jahre (nicht zum ersten Mal in Augsburg) zum Besten gab – nebst einigen Informationen über sich selbst. Die Vorträge der weiteren Brechtforscher waren in wissenschaftlichem Sinn „konventionell“ und brachten durchaus ungewöhnliche Aspekte der Werke Brechts zum Ausdruck: Prof. Dr. Mathias Mayer von der Universität Augsburg analysierte das Verhältnis von Brechts Stücken zu Shakespeare und dem elisabethanischen Theater. Dr. Helmut Gier, ehemaliger Leiter der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek und selbst renommierter Brechtforscher, widmete sich der „Homosexualität“ in den Werken von Brecht – ein Thema, das, wie er nachweist, bei dem eindeutig heterosexuellen Brecht erstaunlich oft vorkommt. PD Dr. Jürgen Hillesheim, der „seinen“ Brecht seit gut 20 Jahren in- und auswendig kennt, hat sich den Einfluss der Musik von Johann Sebastian Bach (speziell der Matthäuspassion) auf den Dichter zum Thema gemacht. Prof. Dr. Helmut Koopmann, Emeritus der Uni Augsburg und zertifizierter Brecht-Spezialist ging der Frage nach, wie (der Provinzler) Brecht mit dem Thema „Großstadt“ umging. Er wurde ein „Stadtenthusiast“. Dr. Franz Fromholzer von der Universität Augsburg ging schließlich unter dem Etikett „mörderische Clowns“ der Frage nach, wie Lachen, Schrecken und Groteske sich bei Brecht (nicht nur im „Badener Lehrstück“) manifestieren. Die Vorträge im Brechthaus abzuhalten, hatte einen gewissen Charme, trotz der meist beengten Verhältnisse. Ob das von den Veranstaltern ausgesprochene Angebot vom Publikum angenommen wurde, anschließend im „Brecht`s“ gegenüber weiter zu diskutieren, ist eher fraglich. Vieles war dann doch so wissenschaftlich, dass es den Laien sehr forderte, wenn nicht erschlug.
Aufsatzband in Planung
Wer zu den Vorträgen (meist werktags um 17 Uhr) nicht kommen konnte, kann sie allerdings nachlesen. Gleich zu Beginn der Reihe wurde angekündigt, dass die Vorträge in einem Sammelband erscheinen würden – allerdings erst zum nächsten Brechtfestival. Jürgen Hillesheim stellt klar, dass es selbstverständlich nicht nur die sechs Augsburger Vorträge sein werden, die der Band enthalten wird, diese seien jetzt nur so etwas wie Appetithäppchen gewesen. Der Aufsatzband mit dem Titel „Man muss versuchen, sich einzurichten in Deutschland“ wird eine umfangreiche Sichtweise verschiedener (auch ausländischer) Brechtforscher zu den 20er Jahren im Leben und Werk des Dichters enthalten.
Ausstellung mit Briefen und Dokumenten
Eine andere Publikation der Brecht-Forschungsstelle ist rechtzeitig zum Brechtfestival 2014 erschienen, nämlich der Katalog zu einer Ausstellung mit „Schätzen“ der Brechtsammlung. Die Exponate wurden als Ausstellung mit dem Titel: „Dort im Lichte steht Bert Brecht. Rein. Sachlich. Böse.“ im Foyer der Stadtsparkasse in der Halderstraße gezeigt, der erste Teil (Brechts Jugendjahre in Augsburg und München) bereits zum Festival 2013, der zweite Teil mit Dokumenten aus den 20er Jahren in Berlin in diesem Jahr (noch bis zum 28. Februar). Zwar sind die Briefe, Eintragungen und Dokumente auf den ersten Blick eher unspektakulär, doch verliert man sich gern in die Lektüre der einen oder anderen Auslassung des Dichters, bestaunt seine Immatrikulationsurkunde oder seinen Führerschein oder die Klage auf Unterhalt für seinen Sohn Frank. Angenehm auch der übersichtliche Umfang. Wie schon in der Ausstellung sind die Exponate im Katalog gut und ausführlich kommentiert, sodass sie für Brecht-Interessenten (auffällig viele Schüler wurden in der Ausstellung gesichtet!) und Forscher durchaus hilfreich sind.
Sicherlich ein guter Ansatz in der Brechtstadt Augsburg, dem Eventcharakter des Festivals einen Kontrapunkt aus der Forschung entgegenzusetzen. Wenn die Brechtstadt mit Forschungsstelle auch wissenschaftlich ernst genommen werden will, muss sie den Weg weitergehen und die Augsburger Bemühungen in diese Richtung vorzeigen.