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Dienstag, 15.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Mord im Orientexpress: Fake und Täuschung auf hohem Schauspiel-Niveau

Eine Premiere, die offenbar mit großer Spannung erwartet wurde, denn der große Saal im Martinipark war restlos ausverkauft. Kaum ein Krimi von Agatha Christie hat es zu so einer Berühmtheit gebracht, wie „Der Mord im Orient Express“, wo der schrullige Hercule Poirot mit Hilfe seiner grauen Zellen alle Täuschungsmanöver der potenziellen und reellen Mörder durchschaut. Zum Schlussapplaus kam dann eine besondere Ehrung des Hauptdarstellers Klaus Müller.

Von Halrun Reinholz

Sebastian Müller-Stahl, Mirjana Milosavljevic, Klaus Müller

Eine Herausforderung ist es schon, einen so bekannten Krimi auf die Bühne zu bringen. Nicht zuletzt auch, weil es die herausragende britische Verfilmung von Sidney Lumet aus dem Jahr 1974 gibt, mit einem sagenhaften Star-Aufgebot bei den Darstellern um Albert Finney als Hercule Poirot. Da ist es vielleicht gar nicht verkehrt, wenn ein Regisseur wie Andreas Merz von allem unbeleckt ist, was den Kult-Roman und den Film betrifft. Er hat beides nach eigenem Bekunden gar nicht gekannt, bevor er sich an die Regie-Arbeit im Staats­theater machte.

Das Szenario ist so, wie man es bei Agatha Christie gewohnt ist: ein geschlossener Raum, eine überschaubare Anzahl Personen, ein Mord. Nur Hercule Poirot, der Detektiv, war nicht vorgesehen. Er wurde von seinem Freund „Monsieur Bouc“, Geschäftsführer der Eisenbahngesellschaft, die den Orient-Express betreibt, im letzten Moment in den Zug eingeschleust. Dass der Zug im Schnee stecken bleibt und den Mord kein Außenstehender begangen haben kann, ist typisch für Agatha Christie. Und auch, dass jede und jeder im Verdächtigenkreis ein Motiv hat und offenbar nicht die Wahrheit sagt. Und schließlich gab es gleich am Anfang einen Hinweis für die Zuschauer: Ein Filmausschnitt von der Entführung der kleinen Daisy Armstrong vier Jahre zuvor.

Hercule Poirot (Klaus Müller) und Monsieur Bouc (Julius Kuhn) – Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Eine Steilvorlage für das Schauspielensemble des Augsburger Staatstheaters. Jürgen Lier verwandelt die Bühne im Martinipark mit Hilfe der Drehbühne in einen Luxuszug der Vorkriegszeit, Veronika Blefferts Kostüme fügen sich entsprechend ein in den Zeitgeist: Hüte, Roben, Schleier, Knickerbocker – eine Freude für Fetischisten der standesbewussten Robe. Vor den Augen von Poirot, vorgestellt von dem neben ihm stehenden Bouc, steigen die Reisenden nach und nach in den Zug: Da ist die uralte russische Prinzessin Dragomiroff ganz in schwarz (souverän dargestellt von der gar nicht alten Katja Sieder). In ihrer Begleitung die verhuschte Schwedin Greta Olsson (Katharina Hintzen). Da ist die auffällige Mrs. Hubbard, die jeden mit ihrem Gelaber nervt (grandios gespielt von Natalie Hünig), die rätselhafte ungarische Gräfin Andrenyi, die praktischerweise Ärztin ist und die pathologische Untersuchung der Leiche vornehmen kann (mit geheimnisvollem Timbre dargestellt von Mehdi Salim). Dass Mary Debenham (Mirjana Milosavlevic) und Oberst Arbuthnot (Sebastian Müller-Stahl) sich besser kennen, als es den Anschein hat, weiß Poirot schon seit er sie im Restaurant in Istanbul belauscht hat. Sie sprachen davon, etwas „hinter sich bringen“ zu müssen. Und da ist noch der aufdringlich-joviale Samuel Ratchett, dem Sebastian Müller-Stahl in dieser kurzen Rolle Gestalt gibt, denn er ist das Mordopfer. Begleitet wird er von seinem Sekretär Hector McQueen (Jenny Langner). Der blau uniformierte Schaffner Michel (Gerald Fiedler), weist den Passagieren diskret ihre Kabinen zu. Als der Mord passiert, kommt die große Stunde von Hercule Poirot – eine Paraderolle für Publikumsliebling Klaus Müller, der mit herrlich französischem Akzent seine Schrullen vorführt, ohne jedoch in Slapstick zu verfallen. Als Folie für die Exzentrik des großen Meisters dient der beflissen-naive und um den Ruf der Eisenbahngesellschaft („mein Vater bringt mich um“) besorgte Monsieur Bouc, hervorragend verkörpert von Julius Kuhn. Als kleinen Gag lässt der Regisseur Hercule Poirot noch eine „Kriminalassistentin“ holen, die sich zufällig „in einem anderen Wagen“ des Zuges befindet. Die kleine Dame, die mit einer großen Tasche auftritt, weckt Assoziationen mit Miss Marple, der anderen großen Detektivgestalt bei Agatha Christie. Aber gewollt ist sicher auch der Bezug auf „Alberich“, die (kleinwüchsige) Assistentin von Professor Börne im Münster-Tatort, die dem Exzentriker dort mit schnoddrigem Selbstbewusstsein die praktische Labor-Arbeit abnimmt (hier dargestellt von der Statistin Stefanie von Mende).

Passend zum Ambiente des Luxuszugs aus vergangenen Zeiten agiert nach dem Konzept des kreativen Theatermusikers Stefan Leibold die prominent besetzte Band (Tilman Herpichböhm, Jonas Horche, Jan Kiesewetter, Tom Jahn) wandelbar zwischen Zeiten und Musikstilen. Vielfach eingesetzt werden auch Videos in schwarz-weiß, die den Zuschauern Details näherbringen oder Rückblenden ermöglichen. Dass der Regisseur aber mehr als nur einen Krimi auf die Bühne bringen will, zeigen im Laufe des Abends einige Gesangseinlagen – eine jiddische von Natalie Hünig, eine serbokroatische von Mirjana Mirosavljevic und eine schwedische von Katharina Hintzen, die auf die Vielfalt dieser Welt verweisen. Und angesichts der Frage nach Recht und Gerechtigkeit, die sich zum Schluss stellt und mit der das Weltbild des sonst so selbstgewissen und rechtsgläubigen Poirot in seinen Grundfesten erschüttert wird, wird vollends klar, dass Agatha Christie eine zeitlose und immer wieder aktuelle Vorlage geschaffen hat. Die Zugfahrt im Roman findet im Jahr 1934 statt. Natalie Hünig als Helen Hubbard formuliert die Schlussworte: „Die Welt steht am Abgrund. Die Messer sind gewetzt. Niemand wird sich für unser Recht einsetzen, wenn wir es nicht selbst tun.“ Was für ein Appell ein paar Tage vor der Bundestagswahl!

Klaus Müller wird Kammerschauspieler

Der begeisterte Schlussapplaus des Premierenpublikums wurde unterbrochen, als Intendant Bücker gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin auf der Bühne auftauchte. Schon vorher war – selbst für eine Premiere – auffällig viel Stadtprominenz im Saal aufgefallen und nun wurde der Grund offenbar: Klaus Müller, seit 1996 Ensemblemitglied des Augsburger Theaters, wurde offiziell zum „Kammerschauspieler“ ernannt. Schon im Programmheft sind seinem Namen die beiden Buchstaben „KS“ vorangestellt. In seiner kurzen Dankesrede zeigte er seine Freude darüber. Das sei für ihn, der seine Schauspielausbildung in Wien erhalten habe, eine große Ehre, die er sehr zu schätzen wisse. Der Titel „Kammerschauspieler“ wurde nach dem Vorbild Österreichs in Bayern eingeführt, er wird von der Bayerischen Staatsregierung verliehen und wurde dem Geehrten in diesem Fall von Oberbürgermeisterin Weber überreicht. Nach dem Umweg über ein Theologiestudium hat sich Klaus Müller für die Schauspielerei entschieden. In Augsburg ist er mittlerweile ein geschätztes „Urgestein“ mit einem breiten Repertoire. Im Kollegenkreis hat er bei Premierengeschenken auch immer wieder sein Talent für Karikaturen offenbart, mittlerweile warten die Leser der Augsburger Allgemeinen jede Woche gespannt auf seine karikaturistische Sicht auf das Stadtgeschehen. Die Rolle als Meisterdetektiv Hercule Poirot ist sicher ein Highlight seiner Karriere.

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Bundestagswahl: Wahlergebnisse der Stadt Augsburg

Am Sonntag fand die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag statt. Die DAZ-Grafik führt die vorläufigen Ergebnisse der Zweitstimmen für sämtliche Parteien, die in Augsburg gewählt werden konnten. Nach aktuellem Stand (Sonntagabend, 23:00 Uhr) lag die Wahlbeteiligung in Augsburg bei 79,4 Prozent. Detaillierte Informationen auf der Homepage der Stadt Augsburg: Stadt Augsburg – Bundestagswahl 2025  

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Der FCA gewinnt 3:0 gegen Borussia Mönchengladbach

FCA in Gladbach: Überragende Datschiburger Defensivspezialisten deklassieren eine heimstarke Fohlen-Elf. Der FCA gewinnt 3:0 in Mönchengladbach! von Peter Bommas Der seit sechs Spielen ungeschlagene FCA musste zu einem schwer ausrechenbaren, mit schwankenden Leistungen aufwartenden Gegner. Eine zuletzt starke Gladbacher Elf mit Offensivdrang traf auf eine der härtesten Defensiven der Liga und das einen Tag nach […]

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Leipziger Allerlei – FCA punktet auch gegen RB Leipzig

Mit einem torlosen Unentschieden endete das Flutlichtspiel zum Auftakt des 22. Spieltags zwischen dem Tabellenzwölften FCA und dem Champions-League-Anwärter RB Leipzig in der mit 28.000 Zuschauern fast ausverkauften WWK-Arena. von Udo Legner Unverständnis bei den Augsburg-Ultras Weniger durch die jüngsten Ergebnisse – im Gegensatz zum FCA ging es für RB Leipzig seit dem 16. Spieltag […]

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Was (nicht) ist und was sein könnte. – Zwei Kommentare zur Brandmauer-Debatte

Die Brandmauer-Debatte bestimmt die letzten Wochen vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Die Gemüter sind erhitzt und wie immer, wenn in Deutschland über das Asylrecht und den Umgang mit den Herausforderungen der Migration gestritten wird, geht es an die Substanz. Alexander Meyer und Gerald Bauer kommentieren das Geschehen, luzid und direkt. Lesenswert! Mehr Brandmauer […]

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Ein Haufen Steine ist noch keine Brandmauer

Ich bin Mitglied der SPD. Muss man das voranstellen? Vielleicht ja – wo wir uns doch schon geraume Zeit in einer Atmosphäre wiederfinden, in der die Zuordnung zur jeweiligen Glaubensrichtung schwerer zu wiegen scheint als jedes Sachargument. Beispielhaft zu erleben an der unseligen Diskussion um eine so genannte Brandmauer. Um die soll es hier gehen. […]

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Mehr Brandmauer wagen?

Am 1. Februar 2025 fand in Augsburg die „Demo gegen Rechts“ statt. Der Rathausplatz war voll. Über 1.000 Menschen waren zur Kundgebung gekommen, weil sie das gemeinsame Abstimmen bürgerlicher Parteien mit der AfD aufgebracht hatte. Sie trieb die Sorge um, die Brandmauer könnte eingerissen werden. Aber mit wem und mit was für Forderungen wurde wirklich […]

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FCA in Mainz – Krimi ohne Höhepunkte

Der Tatort am 21. Spieltag hatte seinen besonderen Reiz. In der ausverkauften MEWA-Arena kam es zum Duell der dänischen Trainer. Zudem standen sich mit in den letzten fünf Heimspielen siegreichen Mainzern und einem in den letzten vier Partien ungeschlagenen FCA zwei erfolgreiche Serientäter gegenüber. Auch wenn die Partie längst nicht hielt, was man sich versprach, […]

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„Mahagonny“ zum Brechtfestival: Der Sturm macht einen Bogen um Augsburg

„Where shall we go?“ – Wohin führt unser Weg? Diese Frage stellt sich am Ende der fast drei Stunden dauernden Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, eine Gemeinschaftsarbeit von Bertolt Brecht und Kurt Weill nach dem bewährten Muster der „Dreigroschenoper“. Keine Oper im klassischen Sinn, sondern ein Brecht’sches Lehrstück der Kapitalismuskritik mit der mitreißenden […]

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Dringender Appell: Lechallianz fordert den Stopp des Projekts „Energyfish“ im Lech

Die Lechallianz fordert die Stadt Augsburg und zuständigen Behörden in einem dringlichen Appell auf, das Projekt „Energyfish“ des Startup-Unternehmens Energyminer GmbH im Lech zu stoppen und sich konsequent für den Schutz des Lechs und seiner sensiblen Ökosysteme einzusetzen. Gleichzeitig ruft die Lechallianz die Öffentlichkeit dazu auf, sich gegen diesen ökologisch unverantwortlichen Eingriff zu stellen und […]

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FCA im Pokal-Viertelfinale gegen den VFB Stuttgart

Schon einmal – 15 Jahre ist das her – kam der FCA im Pokal ins Halbfinale, damals dann gegen Werder Bremen das Aus. Lange her, da stürmte noch der Trickser Bobadilla und 2019 kam das Aus gegen Leipzig nach Verlängerung im Viertelfinale. Man durfte also gespannt sein, wie die Mannschaft das Spiel angeht, hatte man […]

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FCA beim Kiezklub in Hamburg – ein kurioses 1:1 Unentschieden

Die beiden in der Rückrundentabelle führenden Teams lieferten sich einen etwas seltsamen Abnutzungskampf, in dem die Augsburger für die Tore sorgten und bei dem in beiden Halbzeiten nur jeweils einige wenige Minuten zum Hingucker taugten. Von Peter Bommas Jess Thorup ließ seine Mannschaft in gleicher Formation auflaufen wie beim glücklichen Heimsieg gegen Heidenheim, wieder stand […]

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DAZ heute

Kurznachrichten

3. Vielfalt Film Festival

Auch in diesem Jahr flimmert zum Abschluss der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Kooperation mit dem Augsburger Filmbüro das Vielfalt Film Festival über die Leinwand. Die acht Festivalfilme (30. März – 4. April) werden von verschiedenen Kooperationspartnern präsentiert, die nach den Vorstellungen zu Filmgesprächen einladen. Der Flyer:

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Schulterschluss für Demokratie Vielfalt und Menschenwürde: Internationale Wochen gegen Rassismus in Augsburg 2025

Seit 2021 beteiligt sich die Stadt Augsburg an diesem deutschlandweiten Projekt, das bereits seit 2008 besteht und um den 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, unter der Schirmherrschaft der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus ausgerichtet wird. Das Büro für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg hat in Kooperation mit zahlreichen Organisationen und Initiativen […]

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“Let’s Talk Bundestagswahlen“ – eine Podiumsdiskussion von jungen Menschen für junge Menschen



Am Dienstag, den 18.02.2025, veranstalten Schülerinnen der Q12 des Stetten-Gymnasiums in Kooperation mit dem Maria-Theresia-Gymnasium eine Podiumsdiskussion zu den bevorstehenden Bundestagswahlen. Auf dem Podium diskutieren Teilnehmende von insgesamt fünf Jugendorganisationen: Laura Sameit (Jusos Augsburg) Maren Dörr (Grüne Jugend Augsburg) Paul Schwendrat (Julis Augsburg) Etienne Dankelmann (Junge Union Augsburg) und eine Vertretung der Linksjugend Augsburg. Drei […]

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„Im Gedenken der Kinder“ – Ausstellung zu den Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit



Eine Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e.V. in der Augsburger St.-Anna-Kirche erinnert an die nationalsozialistischen Verbrechen an Kindern mit Behinderung. Begleitend zeigt eine Kino-Matinee im Thalia die Lebensgeschichte von Ernst Lossa, der im Alter von 14 Jahren von nationalsozialistischen Medizinern ermordet wurde. Vor etwa achtzig Jahren begannen die systematischen Tötungen von […]

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„Alle an einem Tisch“ – Vesperkirche Augsburg vom 9. bis 23. Februar 2025



Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr veranstaltet der Evangelisch-Lutherische Dekanatsbezirk Augsburg auch in diesem Jahr wieder eine Vesperkirche. Unter dem Motto „Alle an einem Tisch“ verwandelt sich die Kirche St. Paul in Pfersee vom 9. bis 23. Februar 2025 in die Vesperkirche Augsburg und ist dafür täglich geöffnet. Das Programm zur Vesperkirche bietet vielfältige […]

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