SPD-Parteitag: Stürzt Schulz über die Hürden, die er selbst aufgestellt hat?
“Ihr dürft auf keinen Fall”, das höre man überall, wohin man auch gehe, sagte der Augsburger SPD-Landtagsabgeordnete Harald Güller gestern Abend an der Rezeption des Bonners Hotels, wo die schwäbischen SPD-Delegierten eincheckten.
Von Siegfried Zagler
Güller ist einer von 600 Delegierten, die am heutigen Sonntag auf dem Bundesparteitag der SPD in Bonn darüber abstimmen, ob die SPD den Sondierungsbeschlüssen zustimmen soll oder nicht. Würde der Parteitag dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz folgen, wäre der Weg frei für Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und der SPD. Käme anschließend tatsächlich ein Koalitionsvertrag zustande, müssten die SPD-Mitglieder darüber abstimmen, ob der alte GroKo-Kahn wieder auf Fahrt gehen darf. Die Hürden über die Martin Schulz springen muss, sind also hoch. Dafür hat er selbst gesorgt. Zum einen hat er noch am Wahlabend festgestellt, dass die GroKo abgewählt sei (was rechnerisch offensichtlich falsch war), zum anderen erklärte er sinngemäß, dass man als Partner von Angela Merkel immer nur verlieren könne – und dass es nicht sein dürfe, dass die AfD als größte Oppositionspartei in den Bundestag einziehe.
Dies scheint nun in den Hintergrund zu treten. Aus dem schnellen “Nein” des SPD-Vorsitzenden ist ein zaghaftes “Ja” geworden: Nach dem Scheitern der Jamaika-Runde wurde der Druck auf die SPD so groß, dass die Parteispitze die staatspolitische Verantwortung der SPD als bedeutsamer erachtet als das Überleben der Partei, die ohnehin vor sich hinkränkelt und selten weiß, was sie will. Für Martin Schulz wird es eng werden; sollten die Delegierten die Koalitionsverhandlungen ablehnen, kann Schulz als SPD-Chef einpacken.
Die sieben Delegierten aus der schwäbischen Region, unter ihnen die Augsburger SPD-Chefin Ulrike Bahr, die Augsburger Stadträtin Anna Rasehorn und eben der Augsburger Landtagsabgeordnete Harald Güller würden das in Kauf nehmen. Sie sind GroKo-Kritiker und werden wohl Koalitionsverhandlungen auf der Basis des aktuellen Sondierungspapiers ablehnen.
Es ist aber auch vorstellbar, dass das aktuelle Sondierungsergebnis nur dann vom Parteitag als Grundlage für Koalitionsverhandlungen akzeptiert wird, wenn es aus Sicht der starken Landesverbände NRW und Hessen “substanziell verbessert” wird. Die mächtigen Hessen und Nordrhein-Westfalen haben einen gemeinsamen Antrag mitgebracht, der folgende Änderungen zu den Sondierungsergebnissen mit der Union nachzureichen trachtet: die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen, die Angleichung der Honorarordnungen für gesetzlich und privat Krankenversicherte, eine Härtefallregelung für den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus. Koalitionsverhandlungen mit der Union könne es nur geben, wenn “substanzielle Verbesserungen erzielt werden”, wie es in der Begründung des Papiers heißt.
Wie er die Abstimmungssituation auf dem Parteitag einschätze, wollte die DAZ von Güller wissen. “Es wird keine große Mehrheit für ein Ja, aber auch keine große Mehrheit für ein Nein geben”, so Güller, der in der aktuellen Situation eine Minderheitsregierung mit SPD-Tolerierungsvertrag als einzigen Ausweg aus dem SPD-Dilemma sieht.