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Dienstag, 26.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

“Pop aus Augsburg ist eine sexy Marke geworden”

Die Schließung der Echolotstudios im Alten Hauptkrankenhaus geht nicht geräuschlos über die Bühne. Der Augsburger Musikproduzent und Anajo-Manager Alaska Winter, der die Echolotstudios im Jahr 2000 gegründet hatte, meldet sich nun auch in der DAZ zu Wort.

Er könne die Aussagen des Popkulturbeauftragten Richard Goerlich in der DAZ nicht einfach so stehen lassen. Die DAZ besuchte ihn mitten im Umzugsstress im fast leergeräumten Studio in der Henisiusstraße, wo der letzte Ton aus den Echolotstudios aufgezeichnet wurde.

Jürgen "Alaska" Winter

Alaska Winter


DAZ: Herr Winter, in der Augsburger Allgemeinen war vorgestern zu lesen, dass sie eine schöpferische Pause nehmen. Wie lange soll die dauern?

Winter: Das ist eine Falschmeldung, ich habe weder die Zeit noch das Geld für eine schöpferische Pause. Die Auflösung meines Studios wird noch Monate dauern, außerdem stehen bei mir diverse Projekte an, die nichts mit Echolot zu tun haben.

DAZ: Kulturreferent Peter Grab hat in einer Pressemitteilung sein Bedauern über das Ende der Echolotstudios ausgedrückt. Dies sei ein Verlust für die Augsburger Popkulturszene. Grab stellte in dieser Pressemitteilung heraus, dass sowohl das Wirtschafts- als auch das Kulturreferat unverzüglich nach dem Bekanntwerden der Verkaufsabsichten des Hauses mit Beratungsgesprächen und Mietvermittlungen reagiert haben. Warum hat das bei Ihnen nicht funktioniert?

Winter: Mit mir hat niemand gesprochen. Es gab eine Mieterversammlung Ende letzten Jahres, wo uns die definitive Kündigung zum 30. Dezember mitgeteilt wurde, bei der auch diverse Herren der Stadt Augsburg anwesend waren. Anschließend wurde uns ein Prospekt von freistehenden Gewerbeobjekten in die Hand gedrückt. Beratung sieht für mich anders aus. Vom Kulturreferat habe ich nie jemand zu Gesicht bekommen.

DAZ: Hat sich der Popkulturbeauftragte Richard Goerlich nach dem Bekanntwerden der Schließung der Echolotstudios mal bei Ihnen gemeldet?

Winter: Nein.

DAZ: Wir haben anderes gehört.

Winter: Ich habe mich inzwischen schon daran gewöhnt, dass meine Arbeit des öfteren von der Lokalpolitik instrumentalisiert wird, um politische Ämter und städtische Posten durchzusetzen oder um zumindest parteipolitische Standpunkte zu streuen.

DAZ: Das klingt ein wenig theoretisch, können Sie das ein wenig konkretisieren?

Winter: Pop in und vor allen Dingen aus Augsburg ist eine sexy Marke geworden, die nicht nur die Parteien vor ihren Karren spannen wollen. Stichwort Kulturpark West, Popkulturbeauftragter, Popkommision, B-Sides, Stichwort Modular, Popcity etc. Solche Projekte würden die Entscheider niemals durchwinken, gäbe es keine Popaushängeschilder aus Augsburg, die nationale Erfolge aufweisen können, wie zum Beispiel Anajo und Lydia Daher …

DAZ: … die in den Echolotstudios ihre Platten produziert haben. Die Grünen haben Herrn Goerlich im  Zusammenhang mit der Schließung der Echolotstudios angegriffen. Er sei aus ihrer Sicht seiner Pflicht als Popkulturbeauftragter nicht nachgekommen. Das müsste Ihnen eigentlich gefallen haben.

Winter: Immerhin engagiert sich hier endlich mal eine politische Partei für mich, wenn auch erst nach der Schließung. Aber ich möchte auch klar darauf hinweisen, dass diese Haltung der Grünen mir gegenüber noch sehr neu ist. Zur Zeit des Regenbogens zeigte mir die Grüne Kulturreferentin die kalte Schulter, als ich sie wegen eines sehr simplen Anliegens kontaktierte.

DAZ: Herr Goerlich sprach kürzlich in der DAZ über die Schließung des Pavians, dessen Mitbegründer Sie in den 90ern waren.

Winter: Ich hab’s gelesen! Wenn der Popkulturbeauftragte mit Begriffen wie “unabhängige Clubbetreiber” und “Marktverzerrung” argumentiert, dann kann ich das so auf keinen Fall stehen lassen. Schließlich haben wir es hier mit einem Kulturbeauftragten zu tun, der seine Stelle nach meinem Verständnis durch einen ganz simplen Deal “Wahlunterstützung gegen Posten” bekommen hat. Und das ist ein absolutes No-Go für einen Vertreter der Kultur. Zumal es sich hier ja um die Populärkultur handelt, die sich in gewisser Weise als eine Art “Gegen”-Kultur sieht. Außerdem ist Herr Goerlich ganz nebenbei Chef von zwei gastronomischen Betrieben, in denen mit „Popkultur“ eine ganze Menge Bier verkauft wird. Das ist für mich so als betreibe der Wirtschaftsreferent nebenbei noch eine Bank. Und das ist für mich „Marktverzerrung“.

DAZ: Es gab für die Stelle des Popkulturbeauftragten eine ordentliche Ausschreibung, und Herr Goerlich …

Winter: … war von Anfang der klare Favorit.

DAZ: Soweit uns bekannt ist, waren Sie einer der Mitbewerber.

Winter: Stimmt. Ich war der erste der „anderen“ Bewerber und habe meine Bewerbung sogar öffentlich gemacht, um Goerlichs Monopolstellung zu brechen. Das geschah übrigens ohne persönliche Ressentiments. Ich hielt es aber für dringend notwendig. Ich habe dann aber meine Bewerbung wieder zurückgezogen.

DAZ: Lassen Sie uns noch über die Schließung des Pavians reden.

Winter: Als Mitbegründer habe ich die Entwicklung des Pavians natürlich sehr genau verfolgt. Der Club hatte sicherlich viele Probleme, aber eines der größten war der direkte Konkurrenzclub “Das weiße Lamm”, den Goerlich betreibt. Die Lamm-Geschäftsleitung hatte anfangs viel vom Konzept und dem speziellen Spirit des Pavians aufgegriffen und für sich in einem deutlich größeren Rahmen genützt. Für den Pavian hatte das zur Folge, dass er seine sympathische Sonderstellung in Augsburgs Popkulturlandschaft Stück für Stück verlor. Immer mehr Stamm-DJs, sogenannte Opinionleader und Gäste wanderten in den Club in der Ludwigstraße ab, der erstens eine bessere Lage und zweitens einen potenten Geldgeber von außerhalb hatte, der offensichtlich diverse Anfangsprobleme des Clubs finanziell abfing. Dagegen hat ein kleiner Club wie der Pavian langfristig natürlich keine Chance. Aber okay, so läuft das nun mal in diesem Geschäft – man nennt das Wettbewerb. Doch wenn ich vom Popkulturbeauftragten jetzt im beinahe schon zynischen Politiker-Jargon lese, dass er das Ende des Pavians “persönlich als traurigen Verlust empfindet”, muss ich fast kotzen.

DAZ: Herr Winter, Sie sind einer der bekannteren Kulturschaffenden in Augsburg. Das Kulturreferat ist gerade dabei, Kulturschaffende anzuschreiben beziehungsweise Kontakte herzustellen, um dem ku.spo-Projekt mehr Drive aus der Künstlerecke heraus zu verschaffen. Sind Sie dabei?

Winter: Nein, bisher habe ich davon nichts vernommen. Ich wäre auch nicht der richtige Ansprechpartner, denn ku.spo finde ich leider völlig langweilig. Auch mit einem „bewusst niederschwelligen“ Ansatz muss das für mich in einer 250.000-Einwohner-Stadt deutlich smarter aussehen.

DAZ: Sitzt die Enttäuschung über die Schließung der Echolotstudios so tief, dass Sie sich hier mit Nachtreten Luft verschaffen möchten?

Winter: Absolut nicht. Doch in unserer Lokalpolitik glauben offensichtlich viele, dass sie die Öffentlichkeit einfach nur mit etwas Fachgeschwurbel einseifen brauchen, um noch ungenierter ihre Amigo-Spielchen betreiben zu können. Und ich habe ab und zu das Bedürfnis, ein paar Dinge öffentlich richtig zu stellen. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist mein persönliches Verständnis von Indie-Rock`n Roll.

DAZ: Herr Winter, vielen Dank für das Gespräch.

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Das Interview führte Siegfried Zagler.