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Mittwoch, 27.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Premiere: „Die lächerliche Finsternis“ – Geschichten vom „Arsch der Welt“

Die erste Schauspielpremiere der neuen Spielzeit in der Brechtbühne erhielt freundlichen Applaus, überzeugte nicht, fiel aber auch nicht durch.

Von Halrun Reinholz

Nach der Erzählung „Das Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad und dem Coppola-Film Apocalypse Now hat der Autor Wolfram Lotz ein Hörspiel geschrieben, das den Irrsinn der Globalisierung und die Folgen für die Traumatisierten zum Thema hat. Das Theater Augsburg hat damit die neue Spielzeit auf der Brechtbühne eröffnet.

Die Bühne aus grauen Plastikplanen kommt zunächst ohne Beigaben aus. Als Prolog schiebt eine zarte Frau einen Flügel auf die Bühne, zieht ihre High-Heels an und spielt die Mondscheinsonate. Dann erscheinen die vier Schauspieler des Abends (Tjark Bernau, Alexander Darkow, David Dumas, Klaus Müller), identisch gekleidet: Strumpfhose und weißer Angorapulli, high-heel Sandalen, Strumpfmaske auf dem Gesicht, Rewe-Tüten in jeder Hand. Zwei mit geschwärzten Gesichtern. Sie rezitieren Texte aus dem Hörspiel von Wolfram Lotz. Texte, die wie Zitate skandiert werden, pathetisch oder auch ohne jede Betroffenheit. Eine Geschichte wird wohl erzählt, doch die kann man sich nur aus dem Programmheft und der Sekundärliteratur erschließen. Die vier Männer in der skurrilen Frauenkleidung sprechen Texte, die nicht zu einer Handlung führen. Rollen sind nicht zugeordnet, daher gibt es auch keine Identifikationsebene der Figuren. Dem Zuschauer erschließt sich nur, dass wohl der Irrsinn der globalisierten Welt dargestellt werden soll, die kulturellen Barrieren und Verständnisschwierigkeiten zwischen den „zivilisierten“ Menschen und den Einheimischen. Und auch das weiß er aus dem Programmheft.

Ein Hörspiel auf die Bühne zu bringen ist zweifellos eine Herausforderung. Der Regisseur Michael von zur Mühlen kommt vom Musiktheater. Und deshalb verwundert es nicht, dass er das Stück inszeniert wie eine Oper, wo die inhaltlichen Einzelheiten auch nicht relevant sind. Der Flügel mitten auf der Bühne. Die Pianistin (Myunghwa Wiede), die neben dem klassischen Kanon an bürgerlicher Musik auch schräge Töne  beherrscht, die sie teilweise mit Ellenbogen auf die Tasten drückt. Die Inszenierung vermittelt Stimmung und Befindlichkeit. Das Ende ein pathetisch simuliertes Chanson (Pianistin wortlos mit dem Mikro). Doch was bleibt, ist Ratlosigkeit.

Vier hervorragende Schauspieler haben in dem Stück Gelegenheit, sich zu präsentieren.  Warum sie in der lächerlichen Kostümierung agieren, erschließt sich bis zum Schluss nicht wirklich, auch wenn eine vermeintliche Entwicklung stattfindet, da die Protagonisten sich der Strumpfmasken und High-Heels entledigen. Das Klischeebild „Frauen“ und „shoppen“ wird durch die Rewe-Tüten bestenfalls  parsifliert. Große Gesten beherrschen die Bühne. Die teils sehr anschaulichen und witzigen Texte bleiben Versatzstücke ohne sichtbares inhaltliches Gesamtkonzept. Die Betroffenheit des Apocalypse Now Films bleibt definitiv aus. Schade.

Freundlicher Applaus für die Darsteller, aber kein Highlight der Saison.