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Mittwoch, 03.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Sinfoniekonzert: Klänge aus Ungarn

Seit Domonkos Héja die Augsburger Philharmoniker leitet, wurde das Augsburger Publikum schon mehrfach mit Musik aus der ungarischen Heimat des Generalmusikdirektors konfrontiert. Nun stand das 2. Sinfoniekonzert der laufenden Spielzeit sogar komplett unter dem Motto: „Ungarisch“. 

Von Halrun Reinholz

Domonkos Héja – Foto: Astrid Ackermann

Ein Traum, den sich Héja nach eigener Aussage damit selbst erfüllte, aber auch ein Geschenk an das Konzertpublikum, das für sich für Außergewöhnliches und musikalische Raritäten stets aufgeschlossen gezeigt hat. Entsprechend gut besucht war die Kongresshalle, auch etliche junge Leute erspähte man im Publikum.

Die für das Konzertprogramm ausgewählten Komponisten waren freilich nicht gänzlich unbekannt. Zoltán Kodály und Béla Bartók sind klingende Namen der Musikgeschichte, wenn auch im Westen meistens nicht besonders oft aufgeführt. Weniger bekannt ist Ernö Dohnányi, im deutschen Sprachraum verbindet man den Namen eher mit seinen Enkeln Klaus und Christoph von Dohnányi – letzterer immerhin auch Musiker.

Wohl nicht zufällig handelt es sich bei den drei Komponisten um dieselbe Generation – alle in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts geboren und Erlebnisgeneration beider Weltkriege. Für Ungarn hatte der Erste Weltkrieg verheerende Folgen: Es verlor zwei Drittel seines Territoriums und große Teile seiner ungarischen Bevölkerung wurden zu Minderheiten in Nachbarländern.  Bezeichnenderweise wuchs Zoltan Kodály in einer Region auf, die heute in der Slowakei liegt und Béla Bartók in einer, die heute zu Rumänien gehört. Das verbindet ihn übrigens mit György Ligeti, einen weiteren klingenden Namen der ungarischen Musikgeschichte, der jedoch 1923 bereits im zu Rumänien gehörigen Siebenbürgen geboren wurde. 

Der ungarische Teil der Habsburgermonarchie war schon immer Heimat unterschiedlicher Volksgruppen – slawischer, rumänischer oder deutscher. Kodály und Bartók, die in solchen gemischten Regionen lebten, taten sich schon früh als Sammler und Bearbeiter musikalischer Folklore hervor. Für den Einstieg ins Konzertprogramm wählte Héja Kodálys „Tänze aus Galánta“. Es handelt sich genau um den Ort, in dem Kodály seine Kindheit verbracht hat und mit dessen Musik er aufgewachsen ist. Musikalisch prägend waren in der Gegend  die „Cigány-Kapellen“ , die aus dem vorhandenen Klangschatz schöpften und sowohl ungarische als auch slawische Elemente vereinten. Auch Kodály verarbeitet in seinen „Tänzen aus Galánta“ Volksmusik aus dem 18. Jahrhundert nach authentischen Quellen. Die Komposition im als typisch ungarisch geltenden „Verbunkos“-Stil entstand aus Anlass des 80jährigen Gründungsjubiläums der Budapester Philharmonie. Béla Bartók bescheinigte der Musik seines Freundes und Weggefährten Kodály, die „vollkommenste Verkörperung des ungarischen Geistes“ zu sein. Für beide war Volksmusik jedoch kein Ausdruck nationaler Borniertheit, sondern Inspiration für Erneuerung, für zeitgemäße musikalische Formen.

Der Komponist des Solo-Konzerts Ernö Dohnányi tat sich dagegen nicht als Folklore-Sammler hervor, stattdessen aber als Pianist, Dirigent und Musikpädagoge. Héja schätzt an ihm besonders den „geballten musikalischen Witz“, den das Augsburger Publikum nun selbst erleben durfte. Für die „Variationen über ein Kinderlied für Klavier und Orchester“ hatte er den renommierten ungarischen Solo-Pianisten József Balog eingeladen. Die Komposition setzt mit einer opulenten Eröffnung in der klassisch-romantischen Tradition ein, die jedoch spielerisch mit musikalischen Zitaten „gewürzt“ wird.  Erst nach vier Minuten pompöser Einleitung tritt das Solo-Klavier zunächst unspektakulär in Erscheinung, mit dem simplen Kinderlied, „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ . Auf dieses Thema folgen nun elf Variationen, in stilistischer Vielfalt, wo der Pianist Gelegenheit hatte, seine Virtuosität bis hin zum fulminanten Finale zu zeigen. Als Zugabe wählte er zur Freude des Publikums die Klavierfassung von Schuberts „Leise fliehen meine Lieder“.

Den zweiten Teil des Konzertabends nahm ein „Klassiker“ Bartóks ein, das „Concerto für Orchester“. Es ist das letzte Werk des Komponisten, der mit nur 64 Jahren 1945 im amerikanischen Exil an Leukämie starb. Das „Concerto“ ist keinem bestimmten Soloinstrument gewidmet. Vielmehr verfolgte Bartók das Anliegen, einzelne Instrumente oder Instrumentalgruppen wechselweise hervorzuheben. Dabei folgt einem „strengen“ ersten Satz ein heiterer zweiter, der „düstere Todesgesang“ des dritten Satzes wandelt sich in lyrische Klänge mit Musikzitaten (aus der Folklore, aber z.B. auch aus Lehars „Lustiger Witwe“), die auf Heimatsehnsucht hindeuten. Das Finale ist ein rasanter, farbenreicher Tanz, der das reichlich verstärkte Orchester in seiner ganzen Vielfalt forderte. Der Generalmusikdirektor weiß, dass er sich auf sein Orchester verlassen kann und dass auch außergewöhnliches Repertoire mit Präzision und Leichtigkeit zum Tragen kommt. Auch das Publikum weiß das und honoriert den besonderen Konzertabend mit langanhaltendem Applaus.