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Sonntag, 19.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

DEBATTE

Stadt im Schlagabtausch mit Fahrradaktivisten

Zwischen der Stadt Augsburg und den Radaktivisten nimmt die Diskurs-Tonalität an Schärfe zu

Stadionstraße: „Hier kann es zu brenzligen Situationen kommen“ Foto: privat

Immer öfters muss sich die Stadt Augsburg von den lokalen Fahrradaktivisten – ein breites gesellschaftliches Bündnis verschiedener Organisationen – polemische Kritik gefallen lassen, die sich am vergangenen Mittwoch so anhörte: „Auf halber Strecke ging die Puste aus und man strich kurzerhand die Jahreszahl aus dem Ziel: Fahrradstadt irgendwann. Dennoch bietet die symbolträchtige Jahreszahl einen guten Anlass, die Chancenverwertung in diesem Jahr auf den Prüfstand zu stellen: Nach langer – jahrzehntelanger – Vorarbeit durch zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen entschloss sich die Stadt zu einer Aktion am als Angströhre berüchtigten Pferseer Tunnel: Seit dem Frühjahr signalisieren dort zwei Schilder Tempo 30. Grund zu uneingeschränktem Jubel? „Leider nein“, urteilt Petra Kammerer von der Bürgeraktion Pfersee, „es wirkt auf mich so, als hätte man nur das Allernötigste getan. Warum keine deutlichere Kennzeichnung, etwa mit einem farbigen Hinweis auf der Fahrbahn oder Smileys, die die tatsächliche Geschwindigkeit anzeigen. Warum beschränkt sich das radfreundliche Tempo auf den Tunnel? Im weiteren Verlauf bis zur Luitpoldbrücke passieren zu viele Unfälle, da muss auch Tempo 30 her. Auch die parkenden Autos machen es gefährlicher. Ich fordere Nachbesserungen“.

Das Argument, dass man bis zur Umsetzung der Linie 5 warten solle, zieht bei den Aktivisten nicht

Nächster Schuss aus der Pistole: „Beim Ausbau der Infrastruktur für Autos spielt Augsburg durchaus bei den Großen mit. So bekam die Stadionstraße vom TVA bis zur Schießstättenstraße im Hochsommer einen neuen Belag. Die Strecke wurde für einige Wochen gesperrt und die Baufahrzeuge rückten an. Eine gute Vorlage um auch etwas für den emissionsfreien Verkehr zu tun und den geplanten Kreisverkehr an der Kreuzung zur Schießstättenstraße und Perzheimstraße umzusetzen. Verwandelt? Leider nein. „Wir vom ADFC hätten es so gerne gesehen, wenn man wenigstens eine der geplanten Radachsen endlich durchgehend fertig gestellt hätte. Der Kreisverkehr an dieser Stelle würde eine wichtige Lücke in der Achse III schließen. Wir können nicht nachvollziehen, warum dies bis zur Umsetzung der Linie 5 warten soll.“ So Almut Schwenke vom ADFC-Vorstand und vom Bürgerbegehren „Fahrradstadt jetzt“.

Unvermittelt endet der Schutzstreifen

Demonstration der Radaktivsten in der „Vorcorona-Zeit“ Foto: DAZ-Archiv

Doch damit nicht genug, folgte eine weitere Spitze: „Immerhin ein Abstauber gelang bei der Ertüchtigung der Stadionstraße: es gibt jetzt Schutzstreifen für Radfahrer auf beiden Seiten. Endlich ein Volltreffer? Wieder nicht. „Ich finde es gut, dass sich jetzt mehr Leute mit dem Rad auf diesen Straßenabschnitt trauen. Die Autos fahren langsamer“ beobachtet Ingrid Schaletzky, die sich im Forum Augsburg lebenswert und im Seniorenbeirat engagiert. „Aber bei der Verkehrsinsel sehe ich ein großes Gefahrenpotential. Da endet der Schutzstreifen einfach unvermittelt. Wenn hier Autofahrer, die sich nicht auskennen, auf unsichere Radfahrer stoßen, kann es leicht zu brenzligen Situationen kommen. Gerade für die ganz Kleinen und die reiferen Jahrgänge bedeutet das Rad ein wichtiges Stück Freiheit. Das setzt eine sichere Infrastruktur voraus. Und diese hat hier eine gefährliche Lücke“. Unterstrichen haben die Aktivisten ihre Forderungen mit einer Demonstration am gestrigen Donnerstag.

Baureferent Merkle kontert ebenfalls mit polemischen Tonfall: Aktivisten würden Komplexität einer großstädtischen Verkehrsplanung ausblenden
Offensichtlich ist das Baureferat von der Kritik-Kanonade genervt genug, um darauf einzugehen; und dabei die Organisatoren zu desavouieren: Im Zuge des Projekts Fahrradstadt Augsburg habe die Stadt bereits mehr als 60 Einzelmaßnahmen umgesetzt. „Für den Ausbau der Radweg-Infrastruktur und der Serviceangebote für Radfahrende wurden über zehn Millionen Euro investiert und damit ein Vielfaches mehr als je zuvor. Trotz großem Verständnis für den Wunsch nach einem rascheren Ausbau des Radverkehrsnetzes stellt das Baureferat der Stadt Augsburg fest, dass die heutige Demonstration in der Stadionstraße auf falschen Annahmen basiert und die Komplexität einer großstädtischen Verkehrsplanung ausblendet.“

Die Stadt führt in ihrer Pressemitteilung an, dass die Errichtung der Fußgängerinsel in der Stadionstraße auf einen Antrag aus der Bürgerversammlung 28.11.2016 zurückgehe und dieser vom Stadtrat in der Sitzung am 23.02.2017 aufgenommen worden sei. Bei der Planung der Insel in der Stadionstraße mussten verschiedene Randbedingungen berücksichtigt werden – Unter anderem Breite der Straße, Höhenlage der Wege auf der Westseite, Zugang zum Stadion und die Gegebenheit, dass die Wege vom Rosenauberg nur Trampelpfade und keine angelegten Wege sind.

Unabhängig davon verweist die Stadt auf einen neuen Schutzstreifen, der auf  Ostseite der Stadionstraße stadteinwärts in Fahrtrichtung Norden zwischen dem Eisernem Steg und der Schießstättenstraße für den Radverkehr markiert wurde.

Gerd Merkle

„Bislang bestand für Radfahrende bei der Fahrtrichtung Innenstadt nur die Wahl zwischen dem Fahren im Mischverkehr auf der Fahrbahn oder dem Zweirichtungsradweg entlang der Wertach. Neben dem Weg entlang der Wertach haben Radfahrende nun stadteinwärts die Möglichkeit, direkt auf dem zwei Meter breiten Schutzstreifen auf der Fahrbahn Richtung Stadtmitte und Rosenaustadion zu fahren“, so die Stadt, die auch die kritisierte Sicherheitsunterbrechung rechtfertigt und erklärt: „Unterbrechungen von Radfahrstreifen oder Schutzstreifen an Engstellen wie Querungshilfen, Straßenbahn- oder Bushaltestellen sei eine Standardlösung, die bundesweit an vielen Stellen eingesetzt wird. Sie ist beispielsweise auch Bestandteil des „Leitfaden Markierungslösungen“ der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen Baden-Württemberg.“

Hintergrund der Unterbrechung der Radverkehrsführung sei, dass an Querungshilfen die Breite der von den Fußgängern in einem Zug zu querenden Fahrbahn möglichst geringgehalten werden solle. „Die angesprochene Querungshilfe an der Stadionstraße ist derzeit baulich noch nicht fertiggestellt“, so das städtische Baureferat.

Bei der Stadionstraße/Schießstättenstraße/Perzheimstraße werde seit einigen Jahren zur Verbesserung der Querungssituation für Radfahrer diskutiert, so die Stadt, dazu habe die Bauverwaltung Vorplanungen erstellt, „eine Vertiefung der Planungsüberlegungen war jedoch aufgrund der fehlenden Haushaltsmittel für dieses Projekt bisher nicht möglich“, wie es im O-Ton heißt. Außerdem habe sich die Ausgangssituation nochmals geändert, da die Errichtung des Kreisverkehrs auch im Zusammenhang mit dem Bau der Straßenbahnlinie 5 zur Diskussion stehe, da sich durch die beschlossene Trassenvariante (Flügelung der Linie 5) die Verkehrsführung im Thelottviertel ändere. Nachdem die Baumaßnahme einen hohen sechsstelligen Kostenrahmen in Anspruch nehmen werde, sei es sinnvoll, das Planfeststellungsverfahren zur Linie 5 abzuwarten, sich wohl dadurch weitere Zuschussmöglichkeiten ergeben würde.

Auch zur Pferseer Straße gibt die Stadt eine Stellungnahme ab

Zankapfel Pferseer Tunnel – Foto: DAZ-Archiv

Eine ähnliche Abhängigkeit mit der Linie 5 ergebe sich laut Stadt mit der Pferseer Straße. Auch hier hänge die endgültige Ausgestaltung des verfügbaren Straßenquerschnitts von der gewählten Vorzugsvariante ab. Sollte an der bisher beschlossenen Flügelvariante festgehalten werden, kämen sowohl Radstreifen, als auch Tempo 30-Begrenzungen nach dem Tunnel in Frage.

In Bezug auf die Pressemitteilung der Demonstrierenden erklärte Baureferent Gerd Merkle am gestrigen Donnerstag: „Die Aktivistinnen und Aktivisten sollten der Verwaltung die Chance geben, Baumaßnahmen fertigzustellen, bevor sie die städtischen Beschäftigten polemisch herabwürdigen. Zudem hat Detailwissen in einer Fachdiskussion noch niemandem geschadet.“