Stadtrat: Profilbildungsprogramm Renaissance 2.0 zur Kenntnis genommen
Der Stadtrat hat in seiner gestrigen Sitzung das „Profilbildungsprogramm Renaissance 2.0“ zur Kenntnis genommen. Das Projekt wurde in der Regenbogenära angestoßen und es ist damit zu rechnen, dass es nach der gestrigen Präsentation in der Versenkung verschwindet – wo es auch hingehört.
Von Siegfried Zagler
Der Begriff “Web 2.0” wurde 2003 zum ersten Mal in einem Fachmagazin für IT-Manager in die Öffentlichkeit eingeführt. Die neue Begrifflichkeit wurde verwendet, um die revolutionären interaktiven Nutzungsarten gegenüber dem “Web 1.0” zu verdeutlichen und um der Entwicklung des interaktiven Internets einen Namen zu geben. Das Web 1.0, in dem es nur wenige „Bearbeiter“, aber zahlreiche „Benutzer“ gegeben habe, werde durch das Web 2.0 abgelöst, was eine Renaissance der weltweiten Kommunikationsstrukturen bedeute, so die maßgeblichen Theoretiker der IT-Branche seinerzeit. Dafür, was das neue, interaktive Internet zu leisten in der Lage sei, wurden nicht selten die Begriffe „Renaissance“ oder „Revolution“ verwendet. Wenn man die kommunikationstheoretische und vor allem auch zu Beginn euphorische Diskussion über die prognostizierte Entwicklung des interaktiven Internets kennt, dann ist der Begriff „ Renaissance 2.0 selbsterklärend. Wer sich nie für die antike Sagenwelt interessiert hat, dem nützt es auch nichts, wenn ein Bratpfannenhersteller sein neues Produkt „Prometheus“ nennt. Man muss aber weder den Diskurs um das Web 2.0 noch den antiken Zorn Zeus´ auf Prometheus kennen, um die allzu naive Intention beziehungsweise die gutgemeinte Botschaft der Broschüre „Renaissance 2.0“ zu verstehen. Mehr als nettes Wortgeklingel und wohlfeile Zitate haben die Macher des Werks nämlich nicht zu bieten.
Kostprobe gefällig? Gerne: „Die Marke „Renaissance 2.0“ (R.2.0) erfüllt eine Klammerfunktion, indem sie erkennbar macht, dass völlig unterschiedliche Aktivitäten innerhalb der Stadt dem Erreichen eines gemeinsamen Zieles dienen. Entsprechende Initiativen und Projekte können eine gemeinsame Plattform nutzen und in ihrer Kommunikation auf die „Marke Renaissance 2.0“ verweisen. Damit wird deutlich, dass wir gemeinsam die Kultur und das Profil unserer Stadt gestalten und von den Erfolgen in anderen Bereichen der Stadtgesellschaft profitieren. Folglich muss es auch allen Bürgern möglich sein, einen Beitrag zum R. 2.0 zu leisten. Die Vielfalt des städtischen Lebens lässt sich somit im Prozess abbilden und wird als Stärke zum Tragen gebracht“. So geht das in einem fort weiter.
Fremdschämen bei den Medienvertretern
Man könnte glauben, des Regenbogenreferenten Konrad Hummels Geist (Bündnis für Augsburg) sei über den Körper von Professor Stefan Bufler (Hochschule, Fachbereich Gestaltung) in den Stadtrat zurückgekehrt. Fünfzehn angesehene Bürger der Augsburger Stadtgesellschaft zeichnen in der Broschüre für das Projekt verantwortlich.
„Der Augsburger ist aktiv, aber dabei meist allein“. Die Vernetzung der aktiven Augsburger müsse nun in „Form von medialen Aktionen und Kommunikationsmaßnahmen in Erscheinung treten. Damit werden insbesondere die verschiedenen Kommunikatsmedien zum zentralen Instrument des Prozesses. Deren strategisch geschickter und dem Anliegen angemessener Einsatz ist von größter Bedeutung. Es sind die Bürger der Stadt, die somit die Möglichkeit haben, „den Wandel der eigenen Stadt in ihrem Sinne zu gestalten. Sie entscheiden letztendlich, ob ihre Stadt die Initiative ergreift, Gestaltungsspielräume nutzt und langfristig denkt oder ob vornehmlich Sachzwänge den Kurs bestimmen.“ Man könnte stundenlang so weiter zitieren ohne mehr herausfiltern zu können, als eben den Gedanken, dass Plattformen und deren kanonisierten Vernetzung zu positiven Synergieeffekten im Sinne der Bürger und somit zu einer Weiterentwicklung und einer Profilschärfung der Stadt führen sollen. Konrad Hummel hätte das wesentlich besser vorgetragen. Buflers Vortrag kam allerdings fürchterlich platt daher. Man hat schon viel im Augsburger Stadtrat erlebt. Bufler und die Entwickler von „Renaissance 2.0 haben jedoch in dieser Hinsicht eine neue Qualität eingeführt: übereinstimmendes Fremdschämen bei den anwesenden Medienvertretern.
Renaissance 2.0 ist nichts anderes als ein verträumter Versuch, die Sprache der gesellschaftlichen Debatte um das Web 2.0 als allgemeine Strukturidee für innerstädtische Kommunikation vom Kopf auf die Beine zu stellen. Kalendersprüche gegen die Augsburger Wesensart der unorganisierten Vielstimmigkeit, die dummerweise als zu behebender Mangel vorangestellt wird. Renaissance 2.0 ist ein peinliches Flickwerk Text zu einer Idee, die man beliebig oft und überall vorstellen könnte, egal ob die Stadt nun Augsburg, Osnabrück, Paderborn oder Kleinkleckersdorf heißt.