Meinung
Kommentar zur Theatersanierung: Eine große Chance vertan
Der 140jährigen Grünanlage beim Augsburger Stadttheater wird zugunsten eines Multifunktionsraums endgültig der Garaus gemacht. Und dabei ist nicht viel gewonnen, denn das Ergebnis der Umplanungen ist weder städtebaulich noch für den Spielbetrieb befriedigend.
Von Dr. Helmut Gier
Jedem Liebhaber des Augsburger Stadttheaters und seines Viertels sei empfohlen, sich auf Youtube den Film „Augsburg in 1945 – American troops in the city center“ zu Gemüte zu führen. Die ersten Sequenzen dieses Films wurden vom Justizgebäude Am Alten Einlaß in Blickrichtung auf das Theater gedreht. Sehr schön ist zu erkennen, dass die Fassade des Stadttheaters und die Grünanlage zur Volkhartstraße hin einschließlich des Springbrunnens (!) bei den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg völlig unbeschädigt geblieben waren. Die Fassade fiel dann in den frühen fünfziger Jahren der bauhäuslerischen Purifizierung oder je nach Sichtweise dem Vandalismus des damaligen Stadtbaurats zum Opfer. Dem Theater verlieh dies den Charme eines Bahnhofsgebäudes und brachte ihm selbstverständlich als Ausdruck des Zeitgeists den Eintrag in die Denkmalliste ein, die ursprüngliche Grünanlage muss jetzt endgültig den groß dimensionierten Erweiterungsplänen im Zuge der Theatersanierung weichen.
Wenn einer über hundert Jahre alten grünen Oase der Garaus gemacht wird, stößt dies in Augsburg weder bei Umwelt- und Naturschützern noch bei Stadtplanern auf Protest, während in anderen Städten im Rahmen von vom Deutschen Städtetag geförderten Initiativen „Grün in die Stadt“ Stadtbaumkampagnen sowie neue Konzepte für Parks und Entsiegelungen entwickelt werden. In Augsburg führte der vermeintlich fortschrittliche Modernisierungsglaube immer noch dazu, Bäume zu fällen. Dabei wäre gerade der Park beim Theater von großer Bedeutung für die Fortführung des geplanten Fuggerboulevards mit einer doppelreihigen Baumallee bis zu den Grünlagen beim Gesundbrunnen und Wertachbruckertor. Wie die Fuggerstraße war schließlich auch die Volkhartstraße Teil einer nach dem Vorbild Wiens geplanten Ringstraße, so dass Kahlschlag in dem einen und Aufforstung im anderen Teil dieses Straßenzugs überhaupt nicht zusammenpassen.
Noch betrüblicher stimmt, dass bei den Neubauplanungen die große Chance vertan wird, die Grünachsen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung, die sich an dieser Stelle kreuzen, zu stärken. Die räumlichen Beziehungen von der Staats- und Stadtbibliothek über die Kasernstraße bis hin zum Hofgarten und dem Fronhof, die einzige grüne Verbindung in Ost-West-Richtung in der Innenstadt wird durch die Theatererweiterungen an der Ludwigsstraße erheblich gestört, die Überbauung der Grünflächen an der Kreuzung der beiden Achsen beeinträchtigt die Aufenthaltsqualität und die Attraktivität des Stadtbild.
Für kurze Zeit konnte noch einmal Hoffnung für den Erhalt der Grünlage aufkommen, als aus Kostengründen auf den Bau eines Orchesterprobengebäudes an dieser Stelle verzichtet wurde. Offensichtlich herrscht aber bei den beauftragten Architekten die zwanghafte Vorstellung, dass der Platz an der Volkhartstraße unbedingt zugebaut werden müsste. So wurde flugs die geplante zweite Spielstätte aus dem Gebäudekomplex an der Kasernstraße herausgelöst, sie wird jetzt als freistehendes Gebäude an diesem Ort errichtet und mit einem Dach an das Große Haus angeklebt. Dabei wurde als besondere Qualität des Augsburger Theatergebäudes immer gerühmt, dass es allseits frei stand. Trotz der Vereinfachung der einst auch zur Seite hin reich gegliederten Fassaden beruht darauf seine raumprägende Wirkung an dieser herausgehobenen Stelle.
Dabei sind grundsätzliche Zweifel an der Eignung dieses Platzes für den Bau eines „Kleinen Hauses“, das allen wolkigen Absichtserklärungen zum Trotz in erster Linie doch ein Schauspielhaus sein wird, angebracht. Auf dem dreieckigen, spitz zulaufenden Grundstück ist ein Theater mit 400 Plätzen in der traditionellen Form mit halb- oder dreiviertelkreisförmigen oder rechteckigen Zuschauerräumen nicht unterzubringen. Aus der Not geboren, wie die Architekten selbst zugeben, wird deshalb in das Kleine Haus eine Spielstätte mit einer „hexagonalen“, sechseckigen Grundform hineingezwängt, da nur so die angestrebte Besucher- und Zuschauerzahl erreicht werden kann. Der so entstehende „Multifunktionsraum“ ist sicher ein „Novum“, Vorteile bietet er aber keine, sonst wären schon andere Theaterarchitekten auf diese Idee gekommen.
Bei rückläufigen Besucherzahlen wird das Kleine Haus in den nächsten Jahrzehnten zwangsläufig zur zentralen Schauspielbühne und das Große Haus zum Opernhaus werden. Für diese zweite Bühne wären überzeugendere Lösungen vorstellbar, ansonsten hätte auch die Brechtbühne noch gute Dienste verrichtet. Von außen betrachtet lässt der strenge, abweisende, hochbunkerartige Klotz in Tortenstückarchitektur schon gar nicht an ein Schauspielhaus denken, ob er das städtebauliche Gesamtbild anstelle von mehr Grün bereichert, darüber lässt sich trefflich streiten. Angesichts der gewaltigen Aufwendungen von annähernd 400 Millionen Euro für die Theatersanierung kann das Ergebnis der verschiedenen Umplanungen bei allen Verbesserungen für den Spielbetrieb nicht befriedigen.