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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

KOMMUNALWAHL 2020

Überwerfungen bei WSA: Marcella Reinhardt tritt aus – Vorstand spricht von “gezielter Diffamierungskampagne”

Die Augsburger Kommunalwahl hat ihren ersten Skandal: Marcella Reinhardt, die dem Regionalverband der Sinti und Roma vorsitzt und auf Platz 6 der Liste “Wir sind Augsburg” steht, hat heute ihren Austritt aus dem Verein erklärt und sich gegenüber der DAZ  erklärt.

M. Reinhardt

Sie könne sich nicht mit einer Liste identifizieren, deren Frontmann sich in einer Ausschussgemeinschaft mit der AfD befunden habe, so Reinhardt auf Anfrage. Außerdem sei sie nicht informiert worden, dass ein Betreiber eines Kampfsportstudios auf der WSA-Liste steht, dem Rechtslastigkeit nachgesagt werde. “Ich werde mich ab heute nicht mehr als Stadtratskandidatin der WSA präsentieren”, so Reinhardt, die aus rechtlichen Gründen so kurz vor der Wahl die Liste nicht mehr verlassen kann. “Falls ich dennoch als erste Sintezza in den Stadtrat gewählt werde, werde ich mein Mandat als parteilose Stadträtin ausführen.”

Auf die Frage, warum sie sich denn erst jetzt zu diesem Schritt entschieden habe, sagte Reinhardt zwei Sätze: “Ich habe Peter Grab vertraut, denn schließlich hat auch er einen Migrationshintergrund, außerdem bin ich nicht informiert worden.” Am morgigen Freitag erklärt Marcella Reinhardt ihren Rücktritt der Öffentlichkeit. Ort: Ulmer Str. 199. Zeit: 18 Uhr.

Inzwischen hat auch der WSA-Vorstand Stellung bezogen: “Mit großem Bedauern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass unsere Listenkandidatin auf Platz 6, Marcella Reinhardt (Vorsitzende des schwäbischen Verbands der Sinti und Roma), ihre WSA-Mitgliedschaft heute beendete und dies veröffentlichte.” Als Grund für den Rückzug vermuten Tabak und Co., ein systematisches “Mobbing” und “Bashing” gegen WSA-Mitglieder.

“Nicht jedes Mitglied hält diesem Mobbing stand. Wir haben Verständnis dafür, dass eine Vorsitzende des Verbandes der Sinti und Roma in keinster Weise sich öffentlich als rechts oder als Nazi bezeichnet wissen will – wie übrigens keines unserer Mitglieder. Marcella Reinhardt hat diesem Druck nicht mehr standhalten wollen und wir bedauern diese Entwicklung sehr. Nichtsdestotrotz haben wir einerseits Verständnis für ihre Konsequenzen, andererseits kein Verständnis dafür, dass Hater wie Thomas Milasevic oder Peter Hummel so lange unbehelligt in den sozialen Medien ihr Unwesen treiben können.” So der WSA-Vorstand in einer gemeinsamen Erklärung.

Anna Tabak, OB-Kandidatin von WSA, kündigt nun juristische Schritte an: “Statt sich mit WSA inhaltlich und sachlich politisch auseinander zu setzen, haben sich einige Vertreter der Freien Wähler Augsburg-Stadt und deren Nahestehende dazu entschlossen, im Wahlkampf auf eine gezielte Diffamierungskampagne zu setzen und sich so politisch zu profilieren. WSA und seine Mitglieder sind nicht mehr gewillt, sich das gefallen zu lassen. Juristische Schritte sind eingeleitet, weitere werden folgen.”

Darauf hat nun wiederum der OB-Kandidat der Freien Wähler Peter Hummel reagiert: “Dass ich von WSA als einer der Verursacher dieses Skandals erwähnt werde, ist einigermaßen albern. Ja, ich habe vor Jahren die Seite WSA-AfD-Watch gegründet, als die beiden politischen Gruppen eine Ausschuss-Gemeinschaft gegründet haben, bin da aber seit Ewigkeiten raus. Richtig ist, dass ich es problematisch finde, dass WSA auf ihrer Stadtrats-Liste jemanden hat, der in seinem Sportstudio die Reichkriegsflagge aufhängt und Rechtsextremisten trainiert. Sowas muss man kritisieren dürfen – zumal dann, wenn man die AfD-Vergangenheit von WSA kennt.”


“Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten in Europa. In ihren jeweiligen Heimatländern bilden sie historisch gewachsene Minderheiten, die sich selbst Sinti oder Roma nennen, wobei Sinti die in West- und Mitteleuropa beheimateten Angehörigen der Minderheit, Roma diejenigen ost- und südosteuropäischer Herkunft bezeichnet. Außerhalb des deutschen Sprachraums wird Roma als Name für die gesamte Minderheit verwendet.

Der Begriff “Zigeuner” ist dagegen eine in seinen Ursprüngen bis ins Mittelalter zurückreichende Fremdbezeichnung der Mehrheitsbevölkerung und wird von der Minderheit als diskriminierend abgelehnt. Wird er im Kontext historischer Quellen verwendet, so sind die hinter diesem Begriff stehenden Klischees und Vorurteile stets mit zu bedenken. Etymologisch ist der Begriff nicht eindeutig ableitbar. Er beinhaltet sowohl negative als auch romantisierende Bilder und Stereotypen, die real existierenden Menschen zugeschrieben werden. Daher ist der Begriff zuallererst ein Konstrukt.

In Deutschland sind Sinti und Roma seit 600 Jahren beheimatet. Die etwa 70.000 hier lebenden deutschen Sinti und Roma sind eine nationale Minderheit und Bürgerinnen und Bürger dieses Staates. Neben Deutsch sprechen sie als zweite Muttersprache die Minderheitensprache Romanes.”

Quelle: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma