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Freitag, 10.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Viagogo: Letzte Chance für den Patriarchen

Kommentar von Siegfried Zagler

Zu Viagogo muss man nichts mehr sagen. Nur so viel vielleicht: Stünden die Geschäftspraktiken dieses Unternehmens nicht in der Kritik, wäre der Profifußball dem Untergang geweiht. Es ist verständlich, dass sich die Fußballfans vieler Vereine in dieser Angelegenheit rebellisch verhalten. Die Kritik der Fans ist eine strukturelle Kritik gegen eine zu kurz gedachte Optimierung des Ticketverkaufs. Einige Vereine haben die Argumente der Fans ernst genommen und richtig gehandelt, indem sie Verträge mit Viagogo auslaufen lassen oder gekündigt haben und eigene Ticketplattformen einrichten. Diese Vereine haben allerdings lange nicht einsehen wollen, dass ihre Fans die besseren Argumente auf ihrer Seite hatten, sondern einfach nach einem  kaufmännischen Prinzip gehandelt: „Der Kunde hat immer recht.“ Fans sind aber mehr als der Endverbraucher eines Produkts namens Profifußball. Spieler kommen und gehen. Präsidenten kommen und gehen. Die Fans sind die Seele eines Vereins, sie sind die Basis dieses Sports.

Zu einem Vereinsvorsteher, der sich dauerhaft mit Viagogo gegen den Widerstand der Mitglieder und Fans einlässt, ist auch nicht viel zu sagen, außer vielleicht, dass er keine Verantwortung gegenüber dem Verein zeigt, sondern sich wie ein Investor verhält, der um jeden Preis auf seine Rendite besteht, was man Walther Seinsch (und Peter Bircks) durchaus zutrauen darf. Beide haben sich mit Schmähungen an Viagogo-Kritikern blamiert. Beide tun so, als wäre das Wohl und Weh der Jugendarbeit des FCA von dem Vertrag mit Viagogo abhängig. Das ist erbärmlich. Es ist eher umgekehrt: Würde sich der FCA heute Abend dazu entschließen, auf eine weitere Zusammenarbeit mit Viagogo zu verzichten, wäre viel an Reputation und Zukunftsfähigkeit für den Verein gewonnen. Wer in der Fußballbundesliga für 200.000 Euro mehr oder weniger ein nachhaltig gestörtes Verhältnis zu seiner Seele riskiert, versteht nicht viel vom Wesen dieses Sports.

Walther Seinsch ist alles zuzutrauen, auch dass er sich in letzter Sekunde umentscheidet und bei den Fans um Verzeihung für sein kurzatmiges Denken bittet. Wahrscheinlicher ist aber, dass er, wie immer, wenn er sich in Not befindet, auf sein schauspielerisches Talent baut und „den Durchblicker“ mimt und so tut, als wüsste nur er, was für den Verein gut ist. Denkbar ist nämlich, dass er alles auf die „Karte Drama“ setzt und mit Rücktritt „droht“, falls die Mitglieder sich gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Viagogo aussprechen sollten. Wie gesagt, Walther Seinsch ist alles zuzutrauen, auch die eigene Demontage.

Heute Abend stimmen die Mitglieder des FCA nicht nur darüber ab, ob man die Zusammenarbeit mit Viagogo fortsetzen soll oder nicht. Die Fans und Mitglieder des FC Augsburg haben nicht nur für das Spiel auf dem Rasen ein feines Gespür. Sie werden sich heute Abend nicht von Walther Seinschs schauspielerischen Einlagen  beeindrucken lassen und wohl mit großer Mehrheit eine weitere Zusammenarbeit mit Viagogo ablehnen. Wäre es anders, wäre der FCA kein Fußball-Club mehr, sondern ein willenloses Instrument eines Patriarchen.