Debatte
Vom Mönch zum Mohren zur Möhre
Warum eine Debatte über die Bezeichnung “Mohr” notwendig ist
Von Claas Henschel
Mitte Juli startete die Augsburger Jugendgruppe von Amnesty International eine Petition, die die Umbenennung des bekannten Augsburger Hotels „3 Mohren“ in „3 Möhren“ forderte. Über die sich daraus entwickelnde Debatte berichteten Radiosender, Zeitschriften und Blogs aus dem Umland sowie aus ganz Deutschland. Die meisten dieser Beiträge verrissen die Amnesty-Petition als unsinnig, übersahen dabei aber das satirische Element des Umbenennungsvorschlags und verkannten die verschiedenen Dimensionen der Diskussion um das Hotel „3 Mohren“. Eine Diskussion, die nicht neu ist.
Doch warum sollte man diese Debatte überhaupt führen? Die häufigsten Kommentare fragten sinngemäß danach, ob Amnesty nichts Wichtigeres zu tun habe. Ein zunächst einleuchtendes Argument, erscheint doch in Zeiten von Klimawandel, Terrorismus und Altersarmut dies eher wie ein Nischenthema. Leider ist diese scheinbar rationale Fokussierung auf die wichtigen Probleme unserer Zeit ein Scheinargument, mit denen gerade jede Art von Diskussion über kulturelle und soziale Probleme gerne zurückgehalten wird. Das gleiche Argument lässt sich historisch ebenso bei Themen wie Frauenwahlrecht, Sozialversicherungen oder Umweltschutz wiederfinden, Errungenschaften also, die wir heutzutage als zentral ansehen und nicht missen wollen würden.
Das Thema scheint doch von Bedeutung zu sein, wenn sich so viele Menschen dazu äußern möchten
Weiterhin wird der „Jugend von heute“ oft vorgeworfen, sie wäre zu apolitisch und würde sich für nichts mehr interessieren. Wenn „die Jugend“ sich dann eines Themas annimmt, dann ist es auch noch das falsche Thema (Was natürlich hauptsächlich Menschen entscheiden, die weder vom Thema Rassismus betroffen sind noch sich damit lange auseinandergesetzt haben). Geschichtsvergessenheit und mangelnde Recherche wird Amnesty unterstellt. Und dies von AutorInnen, deren Rechercheleistung scheinbar darin bestand, den Abschnitt „Historie“ auf der Internetseite des Hotels „3 Mohren“ zu lesen, sich aber nicht mit den historischen Hintergründen des Begriffs sowie den dahinterstehenden Themen wie Rassismus, Sklaverei und Rassenbiologie auseinandergesetzt haben. Von „Gesinnungsterror“ wurde gesprochen, was in mir den Wunsch auslöst, dass Petitionen wirklich das Mittel der Wahl aller Terroristen wären. Ob denn die Amnesty Jugendgruppe nichts Besseres zu tun hätte wurde gefragt – von Menschen, die scheinbar nichts Besseres zu tun hatten als ihrer Aufregung auf Facebook freien Lauf zu lassen. Das Thema scheint also doch von Bedeutung zu sein, wenn sich so viele Menschen dazu äußern möchten.
Eine Debatte über Rassismus ist wichtiger denn je
Gerade in Zeiten der verstärkten Zuwanderungen von Menschen unterschiedlicher Kulturen und auch Hautfarben nach Deutschland ist eine Debatte über Rassismus und unseren Umgang miteinander wichtiger denn je. Weiterhin handelt es sich um eine Debatte, der man sich in Deutschland über kurz oder lang stellen werden muss. Denn der Blick nach Kanada, in die USA oder nach Großbritannien zeigt, dass dort die Debatten um Rassismus, das koloniale Erbe und Alltagsdiskriminierung viel weiter sind als hierzulande. Auch hier lassen sich Parallelen zu früheren Diskussionen um Umweltschutz oder Frauenrechte ziehen, in denen diese Länder eine Vorreiterrolle einnahmen. In Deutschland dagegen wird ein alltagsnahes Aufarbeiten der kolonialen Vergangenheit gerade erst angestoßen.
Außerdem ist ein offener Umgang mit dem Thema insbesondere für Augsburg wie auch für das Hotel 3 Mohren wichtig. Augsburg als Friedensstadt, Heimat der Patrizierfamilie der Welser, der ersten deutschen Kolonisatoren, deren Kolonisationsversuch auf der Gedenktafel in der Annastraße übrigens immer noch gedacht wird, und als eine Stadt mit einer vielfältigen Bevölkerung ganz unterschiedlicher Herkunft hat gute Gründe, sich des Themas anzunehmen. Und das „3 Mohren“ selbst als eines der renommiertesten Hotels der Stadt und Franchise einer internationalen Hotelkette, wird sich gerade aufgrund seiner internationalen Kundschaft in Zukunft einige Kritik gefallen lassen müssen.
Es handelt sich um eine Fremdbezeichnung, die von den Betroffenen nicht selbst gewählt wurde
Beginnen wir aber zunächst beim Namen und fragen uns, warum am Wort „Mohr“ Anstoß genommen werden kann. Für viele Menschen in Deutschland erscheint dieses Wort wie eine neutrale Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Für einige ist das Wort durch populäre Figuren wie den Sarotti-Mohr vielleicht sogar positiv besetzt. Dieser ist übrigens seit bereits über 10 Jahren goldfarben und ein „Sarotti-Magier“ statt „Sarotti-Mohr“. Dennoch ist es eine Fremdbezeichnung, die von den Betroffenen nicht selbst gewählt wurde, sondern ihnen von Europäern übergeholfen wurde. Dass viele Betroffene dies als beleidigend empfinden, ist insbesondere für viele weiße Europäer nur schwer nachzuvollziehen. Dies liegt historisch darin begründet, dass es insbesondere Europäer waren, welche mit den Reisen von Kolumbus begannen, nicht nur Berge, Inseln und sogar ganze Kontinente nach sich zu benennen, sondern auch anderen Menschengruppen Namen zuzuweisen.
Der Begriff raubt Geschichte wie Idendität und macht die Betroffenen zu einer Leinwand
Die Europäer selbst waren fast nie in der Situation, dass sie von außen unterworfen und ihnen fremdsprachige Bezeichnungen zugewiesen wurden, welche sich bis heute halten. Viele dieser Namen mögen anfänglich noch neutral konnotiert gewesen sein, wie zum Beispiel zweifelsfrei die Bezeichnung “Kanake”, haben sich aber durch die weltweite Sklaverei, Kolonialismus und die Rassenbiologie ins Negative gekehrt. So ist der in Deutschland durch die Karl-May-Nostalgie sehr positive Begriff „Indianer“ auch eine Fremdbezeichnung, die nur auf den Irrtum zurückgeht, dass Kolumbus in Indien angekommen sei. Und wenn die meisten Deutschen damit eher Dinge wie Freiheit oder ein unbeschwertes Leben in der Natur verbinden, so wird der Begriff von den indigenen Bewohnern der Amerikas massiv abgelehnt. Denn abgesehen von negativen Assoziationen wie der vermeintlichen Primitivität und Blutrünstigkeit verkennt das Klischee des stolzen und naturverbundenen „Indianers“ die reale Vielfalt der Sprachfamilien und Kulturen, welche allein in Nordamerika existierten und noch heute leben. Es ignoriert ihre aktuelle Lebenswirklichkeit und Probleme, aber auch die Veränderungen und Entwicklungen ihrer Kulturen. Denn dieses stereotype Bild von der indigenen Bevölkerung friert sie in einem zeitlosen, quasi-kindlichen Zustand ein, aus dem sie sich scheinbar nicht „herauswachsen“ können. So raubt ihnen der Begriff zugleich ihre Geschichte und heutige Identität und macht somit die indigene Bevölkerung zu einer Leinwand, auf die wir unsere eigene Unzufriedenheit mit unserem Leben und europäische Zivilisationskritik projizieren können.
Zum Neger, zum Mohr haben wir sie erst gemacht
Ähnlich ist es mit dem „Mohr“ und seinem verpönteren Begriffscousin, dem „Neger“. Gern wird gesagt, „aber das sind doch Neger, warum sollen wir sie nicht mehr so nennen“. Aber zum „Neger“ bzw. zum Mohr haben wir Europäer sie erst gemacht, als wir eine gigantische Vielfalt von Menschen unterschiedlicher Sprachen, Religionen und Kulturen in eine Kategorie zusammenwarfen, deren einzige Gemeinsamkeit war, dass ihre Haut dunkler war als unsere. Und als „Neger“ und „Mohren“ haben Europäer sie auch zu Millionen versklavt, rassenbiologisch ihre scheinbare Minderwertigkeit „bewiesen“, ihre Unterdrückung religiös begründet und sie auf den Plantagen zu Tode gearbeitet. Daran mag Deutschland weniger beteiligt gewesen sein als Spanien oder Großbritannien, dennoch waren auch deutsche Händler, Soldaten, Seemänner und Forscher im Kolonialismus aktiv. Deutschland bzw. genauer gesagt Kurbrandenburg betrieb Sklavenhandel und in deutschen Kolonien wurde die indigene Bevölkerung systematisch durch Zwangsverträge enteignet. Als diese sich bewaffneten, um sich dagegen zu wehren, wurde ihre Heimat verwüstet sowie ganze indigene Familien in lebensfeindliche Wüsten vertrieben oder in Vorläufer der Konzentrationslager gesperrt und getötet.
All dies geschah mit der Begründung, dass es ja nur „Wilde“, „Hottentotten“ oder „Neger“ waren, mit denen ein „zivilisiertes“ Auskommen oder gar ein Zusammenleben unmöglich sei. Das Wort „Mohr“ erscheint dagegen fast harmlos. Es lässt eher an die „Kammermohren“ denken, die besonders im 18. Jahrhundert an europäischen Höfen als Diener beliebt waren. Oft waren sie in orientalistische Gewänder gekleidet, die nichts mit ihrer Herkunft zu tun hatten und aufgrund der damaligen Begeisterung für „orientalische“ und „türkische“ Moden gewählt wurden. Diese Kleidung kann man immer noch im mittlerweile goldfarbenen Sarotti-Magier erkennen. Dabei wird meist vergessen, dass diese „Kammermohren“ aufgrund ihres exotischen Aussehens vor Gästen zur Schau gestellt wurden und oft Sklavenkinder waren, die von den europäischen Fürsten gekauft wurden. Die meisten von ihnen blieben ihr Leben lang Kuriositäten und ihre Geschichten sind für uns verloren. Einzelne dagegen machten Karriere, wie Abraham Petrowitsch Hannibal, ein Urgroßvater von Alexander Puschkin, oder Anton Wilhelm Amo, der in Halle über die Rechtstellung der Mohren in Europa schrieb und an der Universität Wittenberg seine Doktorwürde erhielt. Doch trotz ihrer Leistungen konnten sie jederzeit wieder zu „Wilden“ herabgesetzt werden wie Angelo Soliman, Freimaurer und Kindererzieher der Fürsten von Liechtenstein, der nach seinem Tod ausgestopft und als „Afrikaner“ mit Federschmuck und Lendenschurz im Kaiserlichen Naturalienkabinett in Wien ausgestellt wurde.
All diese Sterotype sind rassistisch
Im Vergleich zum „Neger“ wirkt der „Mohr“ in der historischen Betrachtung beinahe friedlich. Ähnlich dem „Insulaner“ oder dem „Indianer“ wird er häufig als unbeschwertes und lebensfrohes, aber auch verantwortungsloses Kind der Tropen dargestellt, welches nur seinen Vorlieben folgend in den Tag hineinlebt. In allen Fällen sind diese Stereotype von Menschen anderer Hautfarbe jedoch nur zwei Seiten einer Medaille: Auf der einen der gefährliche Wilde, also der skalpierende „Indianer“, der kannibalistische „Insulaner“ oder eben der lüsterne, primitive und faule „Neger“, auf der anderen Seite der edle Wilde, also der stolze Winnetou, die harmonisch lebenden Einwohner Tahitis oder der folgsame Hofmohr. Somit sind alle diese Stereotype rassistisch, denn sie reduzieren die bezeichneten Personen auf wenige Eigenschaften nur aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Hautfarbe. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts wurden diese rassistischen Vorstellungen dann von Autoren wie Georges Luis Buffon oder Arthur de Gobineau, aber auch Carl von Linné und Immanuel Kant verwissenschaftlicht und die Betroffenen als eigene, von den Europäern unabhängige und unterlegende Rasse definiert, der diese Eigenschaften angeboren sind. Dies war die Geburtsstunde des modernen Rassismus.
Es geht nicht darum, ob der Besuch der abessinischen Mönche verbürgt ist
Bei der Diskussion um den Namen „3 Mohren“ geht es also zentral nicht darum, ob der Besuch der drei abessinischen Mönche historisch verbürgt ist, wie es Dr. Günter Hägele ja sehr ausführlich in der Augsburger Allgemeinen dargelegt hat. Sondern um den historischen Ballast an negativen Bedeutungen, mit dem dieser Begriff in seiner Geschichte beschwert wurde und der ihn in den Augen der meisten Betroffenen heutzutage diskreditiert.
Doch nicht der Name des Hotels ist das größte Problem, sondern dessen aktuelles Logo. Denn dieses zeigt nicht die drei abessinischen Pilger, welche der Legende nach im Hotel abstiegen, sondern „3 Mohren“, welche keine Individualität mehr besitzen und rein auf ihre Gesichtszüge, Haare und Hautfarbe reduziert werden. Sie haben dadurch nichts mehr gemeinsam mit den drei Büsten der Mönche, welche auch an der Fassade angebracht sind. Und sie haben natürlich auch nichts zu tun mit der Legende zum Ursprung des Hauses. Insbesondere Gäste als Nordamerika und Afrika werden das Logo des Hotels als das erkennen, was es ist: als ein der rassistischen Bildsprache und Literatur des 18. und 19. Jahrhundert entlehntes Symbol für den minderwertigen „Neger“ und somit selbst rassistisch.
Dabei handelt es sich nicht um hypothetische Gäste, sondern konkrete Personen, wie beispielsweise den Kameruner Philosoph und diesjährigen Jakob-Fugger-Gastdozent Achille Mbembe. Im Gegensatz zum Namen ist das Logo keine Tradition des Hotels, sondern eine Neuerfindung aus der 2. Hälfte des 20. oder dem Anfang des 21. Jahrhunderts. Traurigerweise waren manche der älteren Logos sogar weniger rassistisch, wie beispielsweise die Einladungskarten von 1956 aus der offiziellen Chronik des Hauses zeigen. Diese beinhalten zwar auch die drei schwarzen Köpfe in der Seitenansicht, bedienen dabei aber deutlich weniger die klischeehafte Darstellung der krausen Haare oder der dicken Lippen. Somit hat man bei der Neugestaltung des Hotels ein rassistischeres Logo gewählt. Im Hotel 3 Mohren wird man sich dieses Problems wohl auch bewusst sein, jedenfalls ist dies in meinen Augen die einzige Erklärung, warum das Logo des Hotels sowohl auf der Fassade wie auch auf dem offiziellen Internetauftritt des Hotels nicht mehr erscheint. Innerhalb des Hotels dagegen ist es immer noch präsent und auf Kaffeebechern, Regenschirmen, Badtüren, Telefonen, Bettdekorationen und Notausgangsplänen zu finden.
Gern wird bei Debatten wie dieser dann die Frage gestellt, was man überhaupt noch sagen darf. Ist es noch erlaubt, von Jägerschnitzeln, Hamburgern, Indianern oder ähnlichem zu reden, da sich ja jemand beleidigt fühlen könnte. Diese Art von Argument übersieht leider den Unterschied zwischen Begriffen, die eventuell jemanden beleidigen könnten und Begriffen, deren beleidigende und diskriminierende Bedeutung vielfach festgehalten wurde. Ein Jäger wird aufgrund seiner Aktivitäten Jäger genannt und ein gebürtiger Hamburger wird sich selbst wohl auch als solcher bezeichnen. Keiner wird sein Leben durch die Existenz namentlich passender Speisen gefährdet sehen. Fast niemand dagegen wird sich selbst als „Mohr“ oder „Indianer“ bezeichnen, denn zum „Mohren“, „Indianer“ wie auch zum „Neger“ wurden Menschen erst durch europäische Forscher und Entdecker gemacht.
Einen aus Bayern stammenden Menschen als Bayer zu bezeichnen ist unproblematisch so lange diese Person sich auch so sieht
Es kommt also darauf an, ob es sich um eine Selbst- oder Fremdbezeichnung handelt. Einen aus Bayern stammenden Menschen als Bayer zu bezeichnen, ist unproblematisch, so lange die Person sich selbst auch so sieht. So mancher Franke, Schwabe oder Oberpfälzer würde dieser Fremdbezeichnung dagegen wohl empört widersprechen. Wenn wir nun eine über 600 Jahre lange Geschichte von Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus als Hintergrund eines Begriffes haben, so ist wohl verständlich, wenn sich Betroffene gegen diese Bezeichnungen wehren. Wenn wiederholt argumentiert wird, dass man im Bekanntenkreis doch betroffene Menschen habe, die sich nicht daran stören oder man sich untereinander sogar mit diesen Begriffen aufzieht, so tut dies wenig zu Sache. Denn wenn es für alle Beteiligten in Ordnung ist, so darf man sich im Freundeskreis bezeichnen wie man will. Nur weil manche Freunde den Autor dieser Zeilen als „Ossi“ oder „Saupreiß“ bezeichnen dürfen, bedeutet das noch nicht, dass ich mir diese Bezeichnung in der Öffentlichkeit gefallen lassen oder die Verbreitung von Klischees über diese Gruppenzuordnung sonderlich schätzen würde.
Außerdem geht es bei Debatten um antirassistische oder inklusive Sprache nicht darum, Wörter zu verbieten, aus dem allgemeinen Sprachschatz zu streichen oder gar Geschichte auszulöschen. Niemand würde verlangen, dass Menschen ihren Nachnamen ändern, weil sie „Mohr“ oder „Schwarz“ heißen. Es geht vielmehr darum, dass wir uns der historischen Hintergründe und der vielfältigen und oft auch beleidigenden Bedeutungen vieler Wörter bewusst werden und gemeinsam darüber diskutieren, wie, wann und ob die Verwendung eines Begriffes angemessen ist. Dabei gehört es dazu, den Argumenten von Betroffenen zuzuhören und sich nicht gegen eine Veränderung mit dem Argument zu positionieren, dass man etwas immer schon so gemacht hätte und es deswegen Tradition sei.
Denn dieses Verständnis von Tradition macht alles, was alt ist, automatisch zum unverzichtbaren Teil unserer Kultur und übersieht die Vielzahl an Verhaltensweisen und Institutionen, die aus gutem Grund abgeschafft wurden: Leibeigenschaft, Ständegesellschaft, Sklaverei oder die rechtliche Benachteiligung der Frau, um nur ein paar zu nennen. Bei all diesen Fällen wurde im Zuge ihrer Abschaffung ebenfalls argumentiert, dass diese zur Tradition der Gesellschaft gehören und nicht aufgehoben werden könnten, ohne dass unsere Kultur, Gesellschaft oder Lebensart dadurch Schaden nehmen würde.
Es geht also nicht darum, Wörter wie „Mohr“ aus der Sprache zu streichen, sondern sie besser zu verstehen, um mit ihnen angemessen umgehen zu können. Momentan bestehen der Hotelname und das Logo des „3 Mohren“ noch unkommentiert, ohne dass auf die historischen Hintergründe des Begriffes hingewiesen und seine rassistischen Dimensionen betont werden. Diese Vorwürfe könnte die Hotelleitung konstruktiv aufnehmen und beispielsweise die Bedeutung des Wortes „Mohr“ auf ihrer Internetseite erklären sowie ihr aktuelles Logo anpassen, wie sie es ja bereits angekündigt hat. Dann müsste sie auch nicht zu erklären versuchen, warum dieses traditionsreiche, gastfreundliche und weltoffene Haus in seinem Logo aus den drei abessinischen Mönchen auf einmal kraushaarige, dicklippige, identisch aussehende „Mohren“ gemacht hat und damit auf die Bildsprache von Sklavenhändlern und Kolonialisten zurückgreift.
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Zum Autor:
Claas Henschel arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Kulturgeschichte an der Universität Augsburg und ist aktives Mitglied bei „Augsburg Postkolonial“