Wahrheit zeigt sich nicht auf dem Platz
Was der FCA von der Augsburger Allgemeinen lernen kann
Kommentar von Siegfried Zagler
Nachdem die Augsburger Allgemeine den FCA nach der Bundesliganiederlage in Köln über Gebühr heruntergeputzt hatte, machte sich gestern Tilmann Mehl darüber Gedanken, wie die Augsburger Profi-Fußballer kommenden Sonntag den FC Bayern bezwingen könnten. Der FCA hat in Köln nicht schlechter gespielt als in Mainz, wo die Brechtstädter bekanntermaßen ihren ersten Bundesligasieg einfuhren, doch darum soll es hier nicht gehen.
Soviel vorab: Tilmann Mehl ist ein Kollege mit analytischem Fußballverstand und einer quicklebendigen Feder. An der Herkulesaufgabe, eine Augsburger Sieger-Strategie gegen die Bayern zu entwickeln, hat sich Herr Mehl allerdings schwer verhoben: „Als der SSC Neapel dazu überging, mit kleineren und größeren Gemeinheiten zu Werk zu gehen, verloren die Münchner endgültig ihre Linie. (…) Die spielerischen Feingeister wussten nicht, wie ihnen geschieht. (…) Die Bayern verloren ihren kühlen Kopf und ließen sich von den Italienern runterziehen. Das könnte auch ein Mittel der Augsburger sein. Kurz am Trikot zupfen, auf die Füße steigen, sich übertrieben wälzen nach Foulspielen – einfach Emotionen aufs Feld bringen und so die Münchner aus dem Takt bringen“, so Mehl in der Augsburger Allgemeinen online. Anders gesagt: Der FCA soll schmutzig spielen und die Münchner mit Unsportlichkeiten und Schauspielereinlagen zu Tätlichkeiten und anderen Dummheiten provozieren.
„Emotionen“ sind nichts für Feingeister und Fußball a la Serie A spielt der FCA mit seiner Defensivstrategie ohnehin. Und zum Theater der Unsportlichkeit gehört die Sprache. Was spricht also dagegen, den italienischen Antifußball der Augsburger mit einem nützlichen Sprach-Repertoire im Stile von Marco Materazzi weiter zu entwickeln? – Doch nun soll es auch genug sein. Wir wollen es nicht auf die Spitze treiben und es Herrn Mehl nicht wirklich übelnehmen, dass er bei seinem Coaching-Artikel („Was der FCA von Neapel lernen kann“) ein wenig die Übersicht verloren hat. „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“, hat ein gewisser Otto Rehagel bei solchen Gelegenheiten gesagt. Doch auch das ist Unsinn. Wahrheit dauert keine 90 Minuten und ist für Sterbliche nur in den seltensten Fällen zugänglich. Wahrheit zeigt sich nicht im Spiel namens Fußball; alles andere zuweilen sehr schmerzhaft.