Was alles zum Frieden gehört
Das Rahmenprogramm des Augsburger Friedensfestes beginnt am Freitag
Von Frank Heindl
Am kommenden Freitag, 20. Juli beginnt das Mammut-Rahmenprogramm des Augsburger Hohen Friedensfestes. Glücklich, was sich „Dachmarke“ nennen darf: Das Friedensfest gehört zu den drei Augsburger Festivals, die keine Etatkürzung hinnehmen mussten und auch nicht von Peter Grabs Biennale-Konzept betroffen sind. 130.000 Euro von der Stadt plus Sponsorengelder in unbekannter Höhe stecken in diesem Jahr im Festivalprogramm. Da lässt sich einiges stemmen: Gebet-Automat, Kongress, Diskussionsveranstaltungen, Ausstellungen, Musik, Theater – und vieles mehr.
Timo Köster ist Leiter des Projektbüros für Frieden und Interkultur und damit federführend bei der Ausgestaltung des weltweit einzigartigen Augsburger Friedensfestes, das hier – und nur hier – seit 1650 und damit in diesem Jahr zum 363. Mal gefeiert wird, seit 1950 sogar als städtischer gesetzlicher Feiertag. Köster mag den Begriff „Dachmarke“ allerdings gar nicht so gerne hören. Möglich, dass er eine Neiddebatte fürchtet, möglich auch, dass hinter dem bequemen Oberbegriff seine Arbeit zu verschwinden droht: „Das Friedensfest ist keine Dachmarke, sondern eine inhaltliche Herausforderung“, betont er daher selbstbewusst. Das Programm, das er mit Hilfe eines Stabes von zu erheblichem Teil ehrenamtlichen Beteiligten zusammengestellt hat, gibt ihm in dieser Hinsicht recht: Neben Veranstaltungen wie dem „Friedensmarathon“, deren Verbindung mit dem Thema des Feiertages manchem ein wenig an wenig an den Haaren herbeigezogen scheinen mag, bietet das Programm tatsächlich viel Inhaltliches, vielerlei Auseinandersetzung mit dem Thema Frieden und kontroversen Ansätzen zu dessen Definition, Schaffung und Bewahrung.
Kritiker könnten fragen, ob die reichhaltige Auswahl an Herangehensweisen – schon das Programmheft nennt auf seiner Titelseite die Themen „Musik, Migration, Umwelt, Politik, Sport, Religion“ – möglicherweise ein allzu buntes Durcheinander darstellt und die Gefahr einer gewissen Beliebigkeit birgt. Köster hält dem entgegen, in den kommenden Jahren werde sich das Fest tatsächlich eine inhaltliche Beschränkung auferlegen – diesmal allerdings gehe es ihm darum, einmal die ganze Bandbreite des Themas darzustellen. Ein Argument, dem man nicht widersprechen muss, zumal die einzelnen Module das Thema durchaus kontrovers angehen.
Im Grandhotel wird über Flüchtlinge diskutiert
Hervorheben könnte man – aber nur beispielsweise – etwa das vielfältige Engagement rund ums „Grandhotel Cosmopolis“. Eine Podiumsdiskussion zum Thema „In welcher Welt wollen wir leben“ zum Beispiel findet dort am 26. Juli statt, in der es um die Situation von Flüchtlingen in Europa – aber auch speziell in Augsburg gehen soll. Eine Chance also, das allgemeine Anliegen mit der sehr konkreten Lage vor Ort zu konfrontieren. Interaktive Installationen im Grandhotel kommen dazu, ebenso Fotoausstellungen, ein Kurzfilmabend, ein Lesemarathon, viel Musik. Und last but not least eine „theatrale Installation“ unter Mitarbeit eines erklecklichen Teiles des Ensembles des Augsburger Theaters. Die Schauspieler und Dramaturgen haben sich entschlossen, sich zwar mit Unterstützung des Stadttheaters, aber doch deutlich außerhalb von dessen Strukturen, auf vielfältige Weise der Themen Flucht und Migration anzunehmen – man darf sehr gespannt sein, Premiere ist am Samstag, 28. Juli.
Was haben Umweltprobleme mit Frieden zu tun, was die Energiewende? Schon die einleitenden Sätze im Programmheft weisen darauf hin, dass die Veranstalter dem gesellschaftlichen Konsens misstrauen, der die Energiewende (noch) trägt. Denn er beruht auf einem beunruhigenden Mangel an konkreten Vorstellungen. Die Energiewende werde „für neuen, staatlich organisierten Unfrieden sorgen“, prophezeien die Autoren. Im Einzelnen geht es in den Veranstaltungen des Moduls dann um „Fairtrade“ in Augsburg, um das Thema Wasser (es referiert Claus Kumutat, der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Umwelt), um Geocaching, Nachhaltigkeit, um den Lech und um die Philosophie – immer nahe am Ort des Geschehens positioniert, also an Augsburger Themen – ohne deren Einbettung in internationale Entwicklungen und Politik zu übersehen.
Pop und Frieden, Sport und Frieden
Was Popmusik mit Frieden zu tun hat, gehört wohl eher zum Modul Politik – im Zeughaus gibt es den entsprechenden Vortrag, ebenda findet auch eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Frieden schaffen mit deutschen Waffen?“ statt. Und anderem kommen Verantwortliche aus dem Außen- und Wirtschaftsministerium, es moderiert Prof. Weller vom Augsburger Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung.
Sogar der Sport ist mit spannenden Themen am Friedensfest beteiligt. Neben dem erwähnten Friedensmarathon gibt es etwa einen Film über Skater in Afghanistgan (ja, sowas gibt’s!). Und zum Thema Religion gibt es unter anderem eine sehr ironische anmutende Installation auf dem Stadtmarkt: Der „Gebetomat“ des Künstlers Oliver Storm sieht wie eine der üblichen Passfoto-Boxen am Bahnhof aus. Der Unterschied: Hier kann man sich per Münzwurf Gebete der großen Weltreligionen anhören – Sprache und Religion sind wählbar, zu hören sind die Gebete völlig unironisch mit dem Ziel, „den Passanten eine Gelegenheit zur inneren Einkehr“ zu bieten.
Selbstverständlich gehören zum Rahmenprogramm des Friedensfestes auch die „üblichen“ Veranstaltungen: der „Karneval der Welten“ etwa, der am kommenden Samstag dieses Jahr aufgrund der Umbaumaßnahmen in der Stadt mit Tanz und Musik auf dem etwas beengten Elias-Holl-Platz stattfindet, das Kinderfest im Botanischen Garten (am 8. August) – und natürlich die große traditionelle Friedenstafel, die diesmal ebenfalls nicht auf dem Rathausplatz stattfinden kann und in den Annahof umzieht. Eröffnet wird sie wie immer vom Oberbürgermeister.
Umrahmt wird das ganze Mammutprogramm natürlich von einer Vielzahl musikalischer Veranstaltungen mit hochspannenden Gästen aus vielen Teilen der Welt. Musiker kommen beispielsweise aus dem Kongo und der Sahara, aus Südamerika, Rumänien, Italien Mail und China. Und natürlich aus Augsburg: Wolfgang Lackerschmid etwa wird wieder ein „common language“-Projekt präsentieren, auch der Oud-Spieler Seref Dalyanoglu ist im Programm vertreten. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, sollte sich ein Programmheft besorgen (es liegt an den üblichen Stellen aus und ist mehr als 200 Seiten dick!) oder sich im Netz informieren: Das gesamte Programm gibt’s zum Download als Katalog oder pdf-Datei unter www.friedensstadt.augsburg.de. Man muss allerdings warnen: Die Qual der Wahl ist erheblich!