„Wir sind Augsburg“
Warum der Widerstand gegen die CSU-Wahlkampfstrategie nachvollziehbar ist
Von Siegfried Zagler
Skandale hin Skandale her: Die CSU hält im Bundesland Bayern mühelos ihren Status als Volkspartei. Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern ist in Bayern seit mehr als einem halben Jahrhundert ununterbrochen eine Partei an der Macht. In der Geschichte der Demokratie ein erstaunlicher Anachronismus. Ein maßgeblicher Grund für dieses in Europa einzigartige Phänomen besteht in der Genialität des CSU-Marketings, das von der Agentur „Team 70“ zu Beginn der siebziger Jahre entwickelt wurde. Die beiden Agentur-Gründer Otto Peter Pirner und Gerhard M. Hotop ersetzten in der politischen Kommunikation die von Wirtschaft übernommene Konsumwerbung durch eine damals vollkommene neue Strategie der Ganzheitlichkeit. Der neuartige Kampagnenstil der Münchner Agentur, der erstmals im Wahlkampf zur bayerischen Landtagswahl 1970 eingesetzt wurde, sorgte bezüglich der CSU für einen durchschlagenden Imagewandel. „CSU = Bayern“, so die Formel, die in den siebziger Jahren in Bayern für unvorstellbare Wahlergebnisse sorgte. Team 70 stilisierte Teile aus dem Bayerischen Staatswappen (Löwe und Raute) zu Insignien der CSU. Ein Signet, das bis heute für nichts anderes als für die „Wir-sind-Bayern-Botschaft“ steht. Eine Botschaft, die allerdings in großen Städten weniger zieht als auf dem hügeligen Land. Das bayerische Land mit dem blauen Himmel, den blauen Seen und den grünen Wiesen: Wer denkt bei dieser Landschaft an die SPD oder an die Grünen?
Die Formel “CSU=Bayern” ist Großstädten nicht so wirksam wie auf dem Land
Damit ist alles über die Bedeutsamkeit einer funktionalen Corporate Identity gesagt. Dumm aus Sicht der CSU ist nur, dass die Formel „CSU = Bayern“ in den bayerischen Großstädten München und Nürnberg nicht annähernd so wirksam ist wie in den Gemeinden und kleineren Kommunen. In Großstädten ist der überwiegende Teil der Bürgerschaft gegen das ländliche Bayern-Image der CSU immun. Augsburg ist zwar keine Großstadt, aber eben auch nicht im Übermaß empfänglich für ein Bayern-Label, weshalb die Werbeagentur m&m in Augsburg und möglicherweise auch in München (münchen2014.de ist als Domain für die CSU registriert) auf die Identifikationskultur der Stadtbewohner baut und eine feiner gestrickte Formel einsetzt.
Es handelt sich um eine bedeutsame Auseinandersetzung
„Wir sind Augsburg“ wird in der Begrifflichkeit „augsburg2014“ sehr geschickt transportiert. Die CSU-Agentur m&m arbeitet mit diesem Effekt dezent und redundant, ohne dabei penetrant zu wirken. Viel geschickter kann man in Augsburg eine ganzheitliche Corporate Identity (CI) nicht implementieren, weshalb die Erregung und die Einigkeit aller anderen Parteien gegen diesen beabsichtigten Implementierungsprozess allein schon aus dem Reflex der Selbstbehauptung nachvollziehbar sind. Würde es der CSU und ihrer Agentur gelingen, eine feinsinnige Augsburg-CI aufzubauen, wäre die Wirksamkeit langfristig angelegt und möglicherweise schwer aus den Köpfen von Generationen von Wählern zu schlagen. Die Aufmerksamkeit und die Sensibilität der SPD, der Grünen, der CSM, der Freien Wähler und den Linken bei der Umgestaltung des Internet-Auftritts der Stadt Augsburg zeigte vor allem, dass das Wissen um die Funktionalität einer strategischen Imagebildung im Zusammenhang mit der identitätsstiftenden Begrifflichkeit „Heimat“ zu einem Allgemeinplatz geworden ist. – Die anderen Parteien werden sich vermutlich mit aller Macht gegen den geplanten CSU-Aneignungsprozess einer geistigen Augsburg-CI wehren. Dabei handelt es sich nicht um „Fußnoten“ (Bernd Kränzle/CSU) und auch nicht um ein „Kasperletheater“ (Thomas Lis/AfD), sondern um eine die politische Kultur dieser Stadt prägende Auseinandersetzung.