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Mittwoch, 15.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Zoff im Stadtrat: Seinsch weg, Kiefer von der Rolle

Sein Akku habe geblinkt, das müsse man in seinem Alter ernst nehmen. So hatte Walther Seinsch (68) von PRO AUGSBURG zu Wochenbeginn über die Augsburger Allgemeine seinen Rückzug nach gerade einmal fünf Monaten Stadtratszugehörigkeit begründet. Ein Paukenschlag, den selbst Mitglieder der eigenen Fraktion nur aus „der Zeitung“ erfahren hatten. SPD-Fraktionschef Stefan Kiefer (39) – nicht unbedingt ein Mann des bedächtigen Wortes – hatte daraufhin sofort öffentlich losgepoltert und den Begriff „Wählertäuschung“ ins Spiel gebracht. Seinsch, so Kiefer, habe mit seinem Namen und seinem Amt viele Wähler für pro Augsburg gewonnen. Das habe letztlich das Wahlergebnis bestimmt und PRO AUGSBURG den Erfolg beschert. Beate Schabert-Zeidler, Fraktionschefin von PRO AUGSBURG, hatte die politische Bewertung Kiefers „menschenverachtend“ genannt und betont, dass es in der Vergangenheit noch nie politische Diskussionen gegeben habe, wenn ein Stadtrat sein Amt niedergelegt hat. Für Zündstoff und Lunte war im Vorfeld der Stadtratssitzung am 2. Oktober also gesorgt.

Legt ein Stadtrat sein Mandat nieder, folgt ihm der nächste Kanditat auf der Liste seiner Gruppierung, in diesem Fall Dr. Werner Lorbeer. Dem Wechsel muss der Stadtrat zustimmen, was vorgestern mit zwei Gegenstimmen nicht schmerzfrei und erst nach einstündiger Debatte über die Bühne ging. Eine Debatte, die die zahlreichen Zuhörer, die wegen des zweiten Tagesordungpunktes „Fünffingerlessturm“ den Sitzungssaal bis auf den letzten Platz füllten, mit Spannung verfolgten.

OB Dr. Kurt Gribl zitierte ein an ihn gerichtetes Schreiben von Walther Seinsch, in dem dieser seinen Ausstieg mit „schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen“ begründete. Dann trat Bernd Kränzle ans neu eingeführte Rednermikrofon. Der CSU-Chef hielt eine kurze Laudatio auf Seinsch, der selbst nicht anwesend war, um anschließend die SPD-Kommentierung zu geißeln. Stefan Kiefer und Karl-Heinz Schneider suchten eher unbeholfen nach dem rettenden Ufer: „Es muss bei diesem Abgang erlaubt sein, kritisch zu hinterfragen“, so Kiefer, der sich aber keinen Millimeter von seiner Kritik, die diese Debatte ausgelöst hatte, distanzierte.

Schneider monierte, dass Seinsch viele Tätigkeiten innehabe, aber „ausgerechnet zuerst mit dem wichtigsten Amt, in dem er so viel bewegen wollte, aufhört.“ Johannes Hintersberger hielt eine Art Grundsatzerklärung zur politischen Kultur, was angesichts des Hauens und Stechens in der Landes-CSU wie ein seltsames „Wort zum Sonntag“ daherkam, vom Schlusssatz abgesehen: „Das Verhalten der SPD ist erbärmlich.“ Das Plenum war erregt wie selten.

Schabert-Zeidler zog noch einmal kräftig Richtung SPD vom Leder: „Wollen Sie gesundheitliche Gründe hinterfragen?“ Ins gleiche Horn blies Rose-Marie Kranzfelder-Poth (FDP): „Diesen Schritt darf man nicht kommentieren, den muss man respektieren.“ Als Susanne Fischer (SPD) langsam ans Mikrofon schritt, brodelte es im Saal. Die sonst eher unauffällige Stadträtin sorgte mit ihrem couragierten wie unerwarteten Auftritt für eine kleine Sternstunde im Stadtrat: „Ich teile die Meinung meiner SPD-Kollegen nicht. Ich respektiere die Gründe von Herrn Seinsch. Ich beantrage das Ende der Debatte, die diesem Haus nicht würdig ist.“

In der folgenden Abstimmung stimmten nur noch Karl-Heinz Schneider und Ulrike Bahr von der SPD gegen den Wechsel Seinsch/Lorbeer. Kiefer, der mit seinem spekulativen Gepolter unter der Woche den Streit vom Zaun gebrochen hatte, stimmte zu.

Kommentar: Geschmacklose Debatte um Seinschs Ausstieg